332 II. Von den Funktionen der Reichrgewalt.
machung des Vertrages im Gesetzesblatt, worin man sich an die
preussische Praxis angeschlossen hat (E. Meier a.a. O. S. 327 ff.
Artikel 11 der Reichsverfassung behandelt Friedensverträge
offenbar anders, wie die übrigen völkerrechtlichen Verträge, worin
er sich ebenfalls ganz an Artikel 48 der preussischen Verfassung an-
schliesst, indem auch hier Friedensschluss und Vertragsschluss als
Lılicha Enke: aSıaatenharh
F d ptes auf-
gefasst werden. Die Friedensschlüsse werden sanderen Verträgen«
als etwas Besonderes gegenübergestellt. Dies ist auch in der eigen-
thümlichen Natur der Friedensschlüsse begründet, welche gewöhn-
lich unter dem Zwange unabweisbarer äusserer Umstände zu Stande
kommen. Friedensschlüsse an sich bedürfen der Zu-
stimmung des Bundesrathes und des Reichstages nicht;
ihr Abschluss gehört zur ausschliesslichen Präroga-
tive dee Kaisers. Freilich wird auch bei ihnen meistens eine
Mitwirkung der gesetzgebenden Faktoren einzutreten haben, wenn
durch dieselben Abänderungen der Verfassung oder sonstigen Ge-
setzgebung, Gebietsabtretungen oder finanzielle Belastungen her-
beigeführt werden. Aber eine Vorlage des ganzen Friedensver-
trages ist ebenso wenig nothwendig, als eine Vorlage vor dem
Abschlusse. Bundesrath und Reichstag müssen sich damit begnü-
gen, wenn ihnen nachträglich nur diejenigen Punkte des Frie-
densschlusses zur Genehmigung vorgelegt werden, welche aus den
oben erwähnten Gründen die Zustimmung der gesetzgebenden Fak-
toren erheischen (E. Meiera.a.0.S.305 ff. A. A. Laband $ 65
S. 190).
$ 362.
2) Vertragsschliessung der deutschen Einzelstaaten.!
Die Verfassungen anderer Bundesstaaten beschränken regel-
mässig die Vertragsfreiheit der Einzelstaaten ausdrücklich. In der
Verfassung der Vereinigten Staaten heisst es: »No state shall enter
into any treat, alliance and confederation«. Es ist dort den Ein-
zelstaaten grundsätzlich verboten, Staatsverträge irgendwelcher Art
mit auswärtigen Staaten abzuschliessen, selbst wenn der Gegenstand
an und für eich in die einzelstaatliche Kompetenz fällt, nur in dem
Falle wird eine Abweichung von der Strenge des Princips zuge-
1 Vergl. besonders mein preussisches Staater. B. IL 8 271.8. 825 ff. Der
preusaische Staat als Einzelstaat steht in Betreff der Vertragsschliessung nicht
besser, aber auch nicht schlechter als das kleinste Bundesglied.