Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

334 II. Von den Funktionen der Reichsgewalt. 
dass die Einzelstaaten in der Form von Staatsverträgen Bestimmun- 
gen treffen. Es giebt Gebiete, wo das Vertragsrecht dem Reiche 
allein zusteht, mit vollständigem Ausschlusse der Einzelstaaten. J)a 
den Einzelstaaten jede Verfügung über ihre Wehrkraft zu Kriegs- 
zwecken entzogen ist, so dürfen sie auch solche Yerträge nicht 
schliessen, welche eventuell zur Anwendung von Waffengewalt und 
zu kriegerischen Verwickelungen führen könnten. Daher darf kein 
Staat Bündnisse eingehen, welche die Abwehr von Angriffen oder 
die Durchsetzung von Ansprüchen mit Waffengewalt zum Gegen- 
stand haben. Da mit einem Worte die ganze grosse auswärtige Po- 
litik Reichssache ist, so wäre jeder auf dieselbe bezügliche Vertrag 
eines Einzelstaates ein Eingriff in die Befugnisse der Reichsgewalt 
und des Kaisers. Da auch kein Einzelstaat bestimmen kann, ob er 
während eines ausgebrochenen Krieges neutral bleiben wird oder 
nicht, so liegen auch Verträge über Bewahrung der Neutralität, auf 
Erhaltung und Herstellung des Friedens gegen Dritte ausserhalb 
der Kompetenz der Einzelstaaten. Auch das einst von den Reichs- 
ständen so gemissbrauchte Recht, deutschen, wie fremden Mächten 
gegen Subsidiengelder Hülfstruppen zu stellen, steht den deutschen 
Einzelstaaten nicht mehr zu. Ferner gehören zur ausschliesslichen 
Vertragszuständigkeit des Reiches alle Angelegenheiten, welche sich 
auf die Verfassung des Reiches, die Organisation der Reichsbehör- 
den, die Verwaltung des Reiches und der Reichsanstalten beziehen, 
ebenso jede Veränderung des Bundesgebietes, jede Bestimmung über 
die Kriegsmarine, über die VertretungdesReiches im Auslande. Auch 
auf den Gebieten, wo den Einzelstaaten eine mehr oder minder weit- 
gehende Selbstverwaltung unter den Bestimmungen der Reichsge- 
setze belassen ist, dürfen sie wenigstens mit auswärtigen Staaten 
keine Verträge schliessen, so in Betreff des Militärwesens, des Zoll- 
wesens, des Post- und Telegraphenwescns (Ausnahmen zu Gunsten 
Bayerns und Württembergs B. II S. 194), hinsichtlich des Handels- 
verkehrs, der Schiffahrt und der Organisation eines gemeinsamen 
Schutzes des deutschen Handels, der deutschen Schiffahrt und 
Flagge zur See. Handels- und Schiffahrtsverträge kön- 
nen nur vom Reiche, nie mehr von den Einzelstaaten 
geschlossen werden (4. A. Pröbsta. a. 0. S.252). Auf ande- 
ren Gebieten konkurriren die Befugnisse des Reiches mit denen der 
Einzelstaaten in der Weise, dass das Reichsrecht dem Landesrecht 
vorgeht. Dies gilt gleichmässig von dem Wege der Gesetzgebung, 
wie von der vertragsmässigen Regelung solcher Gegenstände. Su-
	        
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