10. Die auswärtigen Angelegenheiten. 335
weit Verträge der Einzelstaaten mit Reichsgesetzen oder Staatsver-
trägen des Reiches in Widerspruch stehen, sind sie von vornherein
nichtig: sie können aber auch nachträglich ungültig werden, sobald
später ein Reichsgesetz oder ein Staatsvertrag des Reiches ins Leben
tritt, welcher abweichende Bestimmungen enthält.
Die Verfassungen der deutschen Einzelstaaten sind insoweit
abgeändert, als sie den Regierungen derselben weitergehende Be-
fugnisse in Betreff des Abschlusses völkerrechtlicher Verträge ein-
räumen, als sie nach den Grundsätzen des Reichsstaatsrechtes haben
können; sie sind dagegen soweit in Kraft geblieben, als sie darüber
Bestimmungen enthalten, wer zur Vertragsschliessung ın den Ein-
zelstaaten legitimirt ist.- Dies ist in sämmtlichen deutsch-monarchi-
schen Staaten der Landesherr. Nur bei gewissen Verträgen wird
die Mitwirkung und Zustimmung der Volksvertretung verlangt, wie
dies auch da als selbstverständlich betrachtet werden muss, wo ein
Staatsvertrag in den Bereich der Gesetzgebung eingreift oder eine
budgetmässige Geldbewilligung nöthig macht. In den republikani-
schen Verfassungen der drei freien Städte ist die Leitung der Ver-
handlungen mit anderen Staaten und die Feststellung der Vertrags-
entwürfe dem Senate übertragen, zum Abschlusse der Verträge wird
aber die Zustimmung der Bürgerschaft erfordert.
IV. Das Gesandtschaftsrecht.!
8 363.
1) Das Gesandätschaftsrecht des deutschem Reichen.
Dem Kaiser, als dem ausschliesslichen völkerrechtlichen Ver-
treter des Reiches, steht auch das aktive und passive Gesandtschafts-
recht zu, und zwar ausschliesslich, ohne jede Theilnahme des Bun-
desrathes. Durch seine Verordnung findet die Organisation der
1 Heffter-Geffeken, Das Europäische Völkerrecht $ 199 fl. 8. 116 ff.
Bulmerinega.a.O. S. 311 @. Von den Organen des völkerrechtlichen Ver-
kehre. Bluntschli, Das moderne Völkerrecht der eivilisirten Staaten $. 131 ff.
Miruss, Das europäische Gesandtschaftsrecht. 2 Bde. Leipzig 1817. Charler
de Martens, Guide diplomatique, neu herauagegeben von Geffcken unter
dem Titel: Pröcis des droits et des fonetions des agens diplomatiques et consulai-
ren. 2 Bde. Leipz. 1866. L. Alt, Handbuch des europäischen Gesandtschaftr-
rechts. Berlin 670. Für das deutsche Reich: Laband, II, $ 70. v. Rönne, I,
644.11, 2,5122, G.Meyer, Staatar. $$168—19%. Zorn, Staster. B. 11.8.438 £.
$ 38. Derselbe, Das deutsche Geaandtschafts-, Konsular- und Seerecht. Änna-
len des deutschen Reiches 1882. S. 81 f. 409 £.