10. Die auswärtigen Angelegenheiten. 349
für ihre Nationalen zu haben. Darum wurden den mittelalterigen
Kapitulationen der italienischen Handelsrepubliken die späteren
Verträge der Grossmächte mit der Pforte nachgebildet, von denen
besonders der 1535 mit Frankreich abgeschlossene epochemachend
wurde. :F. Martensa.a.O.S. 187 fl.‘ Auf Grundlage desselben
wurden ähnliche Verträge abgeschlossen von Oesterreich in dem
Passarowitzer Frieden von 1715, von Preussen 1761, von dem deut-
schen Zollverein 1562. In Anschluss an diese Verträge bildete sich
im türkischen Reiche ein allgemeines Gewohnheitsrecht dahin aus,
»dass die Konsuln christlicher Mächte im Gebiete der Pforte Civil-
und Kriminalgerichtebarkeit über ihre Nationalen auszuüben, auch
bei Streitigkeiten zwischen ihren Landsleuten und anderen Frem-
den Recht zu sprechen haben«e. (Königa.a.O.). Auch das deut-
sche Reich übt eine solche Konsulargerichtebarkeit im ganzen otto-
manischen Reiche und dessen Nebenländern aus. Gleicher Weise
steht ıhm eine solche in anderen nichtchristlichen Ländern, Ma-
xokko, Persien, Siam, China, Japan, Samoainseln, kraft Herkommens
oder besonderer Verträge zu. Eine Beschränkung der Konsularge-
richtsbarkeit hat in Egypten auch für das deutsche Reich in neuerer
Zeit stattgefunden ! ‚durch Reichsgesetz vom 30. März 1874, Reichs-
gesetzblatt S. 23, zunächst auf fünf Jahre, definitiv durch Reichs-
gesetz vom 5. Juni 1880, Reichsgesetzblatt S. 145, und Kaiserliche
Verordnung vom 23. December 1880, Reichsgesetzblatt S. 192). Für
die in österreichische Verwaltung übergegangenen türkischen Pro-
vinzen Bosnien und Herzegowina ist die deutsche Konsulargerichts-
barkeit seit dem 1. Januar 1881 aufgehoben. (Reichsgesetz vom
7. Juni 1880, Reichsgesetzblatt S. 148. Kaiserliche Verordnung vom
23. December 1880, Reichsgesetzblatt S. 191).
Für das Verfahren vor den deutschen Konseulargerichten war
früher das preussische Gesetz vom 29. Juni 1865 maassgebend, bis
das Reichsgesetz vom 10. Juni 1879 über die Konsulargerichtsbar-
keit den Gegenstand reichsgesetzlich geordnet hat. Darnach wird
die Konsulargerichtsbarkeit in den Ländern ausgeübt, »in welchen
ihre Ausübung durch Herkommen oder Staatsvertrag gestattet ist«.
Derselben unterworfen eind die in den Konsulargerichtebezirken
! Ueber diesen merkwürdigen Reformversuch, der an die Stelle der Konmu-
largerichte gemiechte Gerichtshöfe erater und zweiter Instanz stellt, vergl. Du-
trieux, La question judiciaire en Egypte in der Revue de droit internationel 1876,
8. 573—602. Asser, Administration de la justice en Egypte in derselben Rerue
1870. 8. 564—572. Treflende kritische Bemerkungen macht Martens a. a. 0.
8. 500—550.