Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

358 II. Von den Funktionen der Reichsgewalt. 
nivellirende Kommunalverfassung annehmen. Der von Frankreich 
eingesetzte Maire von Strassburg erklärte damals öffentlich: »Der 
Grund alles Uebels im Elsass liegt in der eingewurzelten Antipathie 
der Einwohner gegen die Franzosen und in der offenbaren Neigung 
derselben zum Deutschthum. Der Name Franzose gilt im Elsass als 
Schimpfwort, das Wort Deutscher bezeichnet den Landsmann.e So 
noch im Jahre 1794! Nicht die wüsten Orgien der Revolution, nicht 
die grauenhaften Gewaltthaten der Konventsmitglieder haben die 
Elsässer für Frankreich gewonnen, sondern die strenge Ordnung, 
welche die Gesetzgebung und Verwaltung des Konsulats und des 
Kaiserreiches in das zerstörte Land brachte, das Aufblühen des ma- 
teriellen Wohlstandes und vor allem der Kriegsruhm des grossen Sol- 
datenkaisers, an welchem die Söhne von Elsass und Lothringen in so 
hervorragender Weise theil nahmen. Die Begeisterung der Freiheits- 
kriege, welche auch die Wiedergewinnung der alten Reichslande auf 
ihre Fahne schrieb, fand in diesen selbst keinen Anklang mehr, wie 
auch alle Bestrebungen, die »Avulsa imperiie Deutschland wiederzu- 
gewinnen, an der Ungunst der politischen Verhältnisse scheiterten. 
So blieben diese urdeutschen Gebiete bei Frankreich und machten 
alle wechselnden Phasen des französischen Staatslebens mit durch. 
Fest blieb nur jener grossartige Bau der Verwaltung, dessen Funda- 
mente Napoleon als Konsul und Kaiser durch seine Gesetze, beson- 
ders durch das Gesetz vom 28 Pluviöse VIII gelegt hatte. Dieser Bau 
wurde selbst durch die grossen Verfassungsumgestaltungen von 1814, 
1630 und 1848 nicht erschüttert. Dem absoluten Kaiserthum war 
es natürlich nie um Selbstverwaltung und Mitbethätiguug der Bür- 
ger am Stantsleben zu thun gewesen; allein auch die konstitutio- 
nellen Charten von 1814 und 1530 begnügten sich damit, im Centrum 
des Staates einen politischen Mechanismus aufzurichten, und waren 
weit entfernt, das Princip der Selbstverwaltung in den kleineren 
Kreisen des Staatslebens zu verwirklichen. Strengste Centralisation 
der Verwaltung, Alleinregierung einer vom Mittelpunkt durchaus 
abhängigen Beamtenschaft, bureaukratisches Präfektensystem, ver- 
bunden mit einem unter der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Staats- 
rathes hoch ausgebildeten Verwaltungsrechte, bildete den Grundzug 
der französischen Verwaltung, welche auch die Gebiete mit deut- 
scher Bevölkerung dem französischen Staatswesen immer mehr assi- 
milirte. Als im Jahre 1670 der lirieg mit Deutschland ausbrach, 
bestand das napoleonische Verwaltungssystem dort in voller Kraft, 
ebenso die französische Gemeindeverfassung. Die deutschen Sieger
	        
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