Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

364 II. Von den Funktionen der Reichsgewalt. 
$ 374. 
5) Anbahnung einer soibständigeren Stellung für Eisass-Lothringen 
Durch Erlass vom 29. Oktober 1574 war der Reichskanzler er- 
mächtigt worden, einen sogenannten Landesausschuss zu bilden, 
welcher durch die drei Bezirkstage des Reichslandes aus deren Mit- 
gliedern gewählt wurde und aus 30 Abgeordneten und 9 Stellver- 
tretern bestand. Demselben wurden der Landeshaushalt und die die 
innere Gesetzgebung des Reichslandes betreffenden Gesetzentwürfe 
zur Begutachtung vorgelegt. Durch das Reichsgesetz vom 2. Mai 
1577 betreffend die J,andesrepräsentation in Elsass-Lothringen 
(Reichsgesetzblatt 1877 $. 491) wurde dieser Landesausschuss aus 
einer bloss berathenden und begutachtenden Behörde zu einen 
staatsrechtlichen Faktor der Landesgesetzgebung erhoben. Landes- 
gesetze für Elsass-Lothringen, einschliesslich des jährlichen Staats- 
haushaltsetats, werden von nun an mit Zustimmung des Bundes- 
rathes vom Koiser erlassen, wenn der Landesausschuss den- 
selben zugestimmt hat. Daneben ist aber der regelmässige 
Weg der Reichsgesetzgebung stehen geblieben, wie er durch das 
Gesetz vom 25. Juni 1873 vorgeschrieben war. »Die Erlassung von 
Landesgesetzen im Wege der Reichsgesetzgebung bleibt vorbehal- 
ten. Die auf Grund dieses Vorbehaltes erlassenen Landesgesetze 
könuen nur im Wege der Reichsgesetzgebung aufgehoben oder ge- 
ändert werden.« (Gesetz vom 2. Mai 1877 $ 2). Die Rechnungen 
über den Landeshaushalt werden dem Bundesrathe und dem Lan- 
desausschusse zur Entlastung vorgelegt. Versagt der Landesaus- 
schuss die Entlastung, so kann dieselbe durch den Reichstag er- 
folgen. 
Auf eine vom Reichstag angenommene Resolution, dass Elsass- 
Lothringen eine selbständige im I,ande befindliche Regierung er- 
halten möge, erging das Reichsgesetz vom 4. Juli 1879, betreffend 
die Verfassung und Verwaltung von Elsass-Lothringen (Reichsgesetz- 
blatt 1879 S. 165 ff.), welches mit dem 1. Oktober 1879 in Kraft 
getreten ist. An den gesetzgebenden Befugnissen des Reiches wird 
dadurch nichts geändert, so dass für das Reichsland auch fernerhin 
Landesgesetze auf dem Wege der Reichsgesetzgebung gegeben wer- 
den können und der Kaiser befugt ist, auch fernerhin Nothverord- 
nungen mit Zustimmung des Bundesrathes zu erlassen. Der Fort- 
schrittzur grösseren Selbständigkeit liegt nur darin, dass der Schwer- 
punkt der Verwaltung in das Reichsland selbst verlegt wird. Der
	        
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