Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

28 Das Reichsstnatarccht. 
sind. Wo dieselben aber durch Verweigerung oder Verzögerung der 
Justiz ihre Schuldigkeit nicht erfüllen, hat jeder Deutsche das Recht, 
um Abhülfe bei der Reichsgewalt nachzusuchen. Artikel 77 Reichs- 
verfassung. Abgesehen von diesem ausnahmsweisen Ilereingreifen 
der Reichsgewalt in die Rechtspflege der Einzelstaaten, übt das 
oberste Reichsgericht eine Kontrolle über alle Landesgerichte und 
giebt dadurch dem durch die Landesgerichte geübten Rechtsschutz 
eine höhere reichsgerichtliche Garantie. 
5) Ebenso bedeutsam erweist sich der Schutz, welchen das 
Reich allen seinen Angehörigen im Auslande gewährt. Reichsver- 
fassung Artikel 3 Absatz 6: »Dem Auslande gegenüber haben alle 
Deutschen gleichmässig Anspruch auf den Schutz des Reiches.« 
Die deutschen Gesandten und Konsuln haben die Pflicht, allen 
Reichsangehörigen ihren Schutz in möglichst wirksamer Weise an- 
gedeihen zu lassen. Das Reich selbst hat für die Ansprüche seiner 
Unterthanen gegen auswärtige Regierungen und Private mit allen 
völkerrechtlichen Mitteln einzutreten, wenn es sich von deren Recht- 
müässigkeitüberzeugthat. Es kann zu diesem Zweckesowohl von fried- 
lichen Mitteln, besonders diplomatischen Verhandlungen, wie von 
gelinderen und schärferen Zwangsmaassregeln Gebrauch machen. 
Gegenüber der vollständigen Schutzlosigkeit vergangner Jahrhun- 
derte erscheint es als der grossartigste Fortschritt, dass jeder Deut- 
sche jetzt stolz, wie der civis Romanus im Alterthum, wie der Eng- 
länder in der Neuzeit, am entferntesten Punkte der Erde, den Schutz 
seines mächtigen Nationalstaates anrufen kann, der ihm nie versagt 
werden wird, wo ihm das gute Recht zur Seite steht. 
& 252. 
V. Stastsrechtliche Struktur der Reichsgewalt im Allgemeinen. 
Seitdem die neuere Wissenschaft, der mittelaltrigen Patrimo- 
nialtheorie gegenüber, den hedeutsamen Fortschritt gemacht hat, 
den Staat als eine öffentlich-rechtliche Persönlichkeit zu be- 
greifen, ist auch der alte Streit über die cntgegengesetzten Princi- 
pien der Fürsten- und Volkssouveränetät verschmunden, welche 
beide die Souveränetät ausserhalb des Staates selbst verlegten '$ 15. 
Meine Einl. S. 160—181 . Jede Persönlichkeit muss einen Willen 
haben, welcher ihr nicht von aussen entgegengebracht, sondern aus 
ihr selbst erzeugt wird. Der Wille der Staatspersönlichkeit ist der 
Staatswille. Nass dieser nur im organischen Gemeinwesen des
	        
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