Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

376 II. Von den Funktionen der Reichsgewalt. 
eines sogenannten Untertlianenlandes, welche dem beherrschenden 
Stante gegenüber nur als beherrschte Unterthanen, nicht als poli- 
tisch berechtigte Staatsbürger erscheinen. 
Anmerkung. Analoge Verhältnisse. Aus £hnlichen ge- 
schichtlichen Vorgängen sind ähnliche staatliche Gebilde entstanden. Wo 
mehrere verbündete Staaten oder ein Staatenverein durch gemeinsame 
Anstrengungen und Aufwendungen ein Gebiet erworben hatten, so 
blicb desselbe im Kommunalbesitze. Dahin gehörten die sogenannten 
Generalititslande, über welche die Republik der Vereinigten Nieder- 
lande die Oberherrschaft behauptete, nachdem ihr dieselben von Spanien 
und Oesterreich abgetreten waren. In ähnlicher Lage befanden sich die 
gemeinen Vogteien in der Schweiz, welche theils durch Ankauf, theile 
durch Eroberung von mehreren Kantonen zugleich erworben und von die- 
gen gemeinsam besessen und verwaltet wurden, ja es gab Vogteien, wel- 
che allen dreizehn Kantonen n gemeinsam waren. (Vgl. Bluntschli, Ge- 
B.I. Aufl. 2 1675. Kap. XIV. 
Die gemeinen Vogteien 8.209 f.). Die Generalitätslande wie die gemei- 
nen Vogteien der Schweiz unterscheiden sich dadurch wesentlich vom deut- 
schen Reichslande, dass ihren Bewohnern dem regierenden Gemeinwesen 
gegenüber gar keine staatsbürgerlichen Rechte zustanden, dass sie viel- 
mehr als Unterthanenlande ganz im Interesse des herrschenden Landes 
regiert, d.h. wieDomsinen ausgebeutet wurden. Eine solche Behandlungs- 
weige ist den staatlichen Anschauungen der Gegenwart widersprechend; ein 
Vergleich mit diesen mehr mittelaltrigen Gebilden entwürdigt die staats- 
rechtliche Stellung unseres Reichslandes. Dagegen bietet das Staaterecht 
Nordamerikas in dem Distrikt Kolumbia und den sogenannten Territorien 
eine sehr nahe kommende Analogie. Durch Artikel I Sekt. 15 wird der 
Kongress ermächtigt: »sich von den einzelnen Staaten einen höchstens 
10 Quadratmeilen grossen Distrikt ale Regierungssitz abtreten zu lassen 
und über denselben die gesetzgebende Gewalt in allen Richtungen auszu- 
üben«. In diesem Distrikt liegt jetzt die Stadt Washington, die Hauptstadt 
der Union. Dieselbe hat ihre Stadtverfassung und ihre Selbstbestimmung 
in rein lokalen Angelegenheiten; die allgemeinen Gesetze empfangen die 
Bewohner lediglich vom Kongresse, ohne in demselben selbst vertreten zn 
sein. Die Regierung des Distrikts führt der Präsident der Union. (Rüt- 
timann, Das nordamerikanische Bundesstaatsrecht. 1867 Th. IS. 407 
66 348 und 349). Eine Ehnliche Stellung haben ‘die sogenannten Ter- 
ritorien, bis dieselben zu Staaten erklärt sind. Der Kongress be- 
sitzt über sie die ausschliessliche Staategewalt. Jedenfalls sind die terri- 
torialen Legislaturen dem Kongresse untergeordnet und haben die Erlasse 
derselben nur innerhalb der vom Kongresse aufgestellten Anordnungen 
Geltung, indem die territorialen Legislaturen ihre Befugnisse vom Kon- 
gresso ableiten und unter dessen Aufsicht üben. Alle Behörden eines 
Territoriums stellen sich als Organe dar, durch welche der Kongress das 
Gebiet beherrscht, es fehlt ihnen ebenso wie dem deutschen Reichslande 
an einer selbständigen Staatsgewalt. Bezeichnend ist eine Aeusserung von 
Pomeroy, Introduction to the const. law af the United Staates (1883) 
 
	        
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