Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

32 Das Reichastaatarecht, 
rathe. Der hentige deutsche Kaiser ist Monarch ganz in 
dem Sinne, wie der Kaiser des ältern deutschen Reiches 
es war. Gerade in diesem Hauptpunkte findet eine überraschende Ana- 
logie zwischen dem alten und dem neuen deutschen Reiche statt. Die 
Souveränetät des Reiches steht heute bei Kaiser und Bundearath, wie 
einst »bei Kaiser und Reiche, d. h. dem Reichstege von ehemals, wel- 
chem in der Theorie, wie offieiell, ein wirkliches co-imperium, ein con- 
dominium an der HReichssouveränetät zugeschrieben wurde. Der Kaiser 
ist heutzutage in demeelben Sinne Reichsoberhaupt, wie der Kai- 
ser von ehedem, indem er zwar, wie dieser, die Souveränetät mit einem 
zweiten Organ theilt, dennoch aber als oberstes Organ dasteht, indem 
nur er den zweiten Faktor, den Bundesrath, wie einst der Kaiser von 
chemale den Reichstag in Bewegung setzen, geschäftlich lenken und lei- 
ten kann. Das deutsche Reich ist keine Monarchie im strengen Schul- 
begriffe des deutschen Staatsrechts, aber in seiner Verfassung liegt ein 
starkes monarchisches Element, was nicht verkannt werden darf 
und mit der ganzen geschichtlichen Entwickelung Deutschlands zusam- 
menhängt. »ler Ausdruck für die monarchische Tradition Deutschlands 
in unserer Verfassung liegt im Kaiser.a (Häne} im Reichstage von 
1882, Stenogr. Ber.S. 780). Man hat logischer Weise nur die Wahl, den 
Kaiser alaReichsbeamten, als Beauftragten einer über ihm stehenden Po- 
tenz, »alsDelegirten der verbündeten Regierungen« oder als selbständiges 
Organ der Reichsgewalt zu betrachten, welcher seine reichsoberhauptliche 
Stellung unmittelbar aus der Reichsverfassung ableitet und zu eigenem 
Rechte beaitst und ausübt. T'ertium non datur. Nur die letztere Auffas- 
sung entspricht dem Geiste der Keichsverfassung und der Würde des 
nationalen Keiserthums.
	        
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