Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

2. Der Bundesrath. 47 
wie von selbst aus den Verhältnissen erwachsen, wie sie im Sommer 
1866 in Deutschland vorlagen. Nach Auflösung des deutschen Bun- 
des hatte Preussen Bevollmächtigte aller verbündeten Regierungen 
nach Berlin berufen, welche im Winter 1666/67 zu Ministerialkon- 
ferenzen zur Berathung des Verfassungsentwurfes zusammentraten. 
Aus diesen entwickelte sich wie von selbst der Bundes- 
rath, dessen staatsrechtliche Natur nicht aus fremden bundesstaats- 
rechtlichen Vorbildern, noch aus der hergeb sti 
Schablone, sondern lediglich aus der Genesis und der Eigenart der 
deutschen Staatsverhältnisse erklärt werden kann. Der Bundesrath 
kann in mancher Beziehung geradezu als eine Fortsetzung des ehe- 
maligen Bundestages angesehen werden, an dessen Organisation in 
Betreff der Stimmenvertheilung ausdrücklich angeknüpft wird; nur 
mit dem Unterschiede, dass der ehemalige Bundestag das Organ 
eines völkerrechtlichen Vereines souveräner Staaten war, während 
der Bundesrath Glied eines staatsrechtlichen Organismus, Organ 
eines einheitlichen Staatswillens ist. Noch viel stärker haben die 
Reminiscenzen des älteren deutschen Reichsstaatsrechtes bei der 
Schöpfung des Bundesrathes eingewirkt. Nur mit verändertem Na- 
men ist der Bundesrath an die Stelle des ehemaligen deutschen 
Reichstages getreten. Mag man politisch jede Vergleichung un- 
seres Bundesrathes mit jenem viel verspotteten Reichstag von Re- 
gensburg zurückweisen, für die staatsrechtliche Konstruktion 
bietet derselbe überraschende Analogien. 
Der Bundesrath von heute, wie der Reichstag von ehedem, ist 
ein Kollegium, welches aus den Bevollmächtigten der deutschen 
Landesherrn besteht. Jetzt, wie damels, sind dieselben 
Personen, welche die Staatsgewalt in den Einzelstaa- 
ten innehaben, durch ihre Theilnahme an dieser Kör- 
perschaft, auch Mitträger der Reichsgewalt. 
Der Bundesrath, wie der ehemalige Reichstag, sind in keiner 
Beziehung parlamentarische Körper; die Bevollmächtigten stimmen 
nicht nach freier Ueberzeugung, sondern lediglich nach den ihnen 
zu theil gewordenen Instruktionen; nicht sie selbst, sondern ihre Ge- 
waltgeber sind die Glieder dieser Körperschaft, deren abhängige 
Stimmwerkzeuge sie sind. 
Der Bundesrath ist, ganz wie der Reichstag von ehedem, nicht 
bloss vertretender, die Reichsgewalt beschränkender Körper, son- 
dern Organ der Centralgewalt, Mitträger der Souveränetät. 
Aber auch darin gleicht seine Stellung der des Reichstages von
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.