Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

4. Behördenorganismus des Reiches, 89 
theils bloss Aufsichtsbefugnisse. Ja, es ist nicht zu verkennen, dass 
das Behördensystem des Reiches fortwährend zu einer reicheren 
Entwicklung und Ausgestaltung hinneigt. 
Wenn die Behörden der Einzelstaaten auch vielfach zur Erfül- 
lung von Reichsaufgaben mitzuwirken haben, so bleiben sie trotz- 
dem Landesbehörden. Zum Begriffe einer Reichsbehörde gehört 
nicht nur, dass sie Reichsgesetze befolgt, das müssen auch die Lan- 
desbehörden, dass gie Reichsgeschäfte besorgt, auch dies thun viel- 
fach die Landesbehörden, sondern dass sie ihre staatliche Auto- 
risation von der Reichsgewalt empfängt, dase ihr die 
staatlichen Hoheitsrechte, welche sie in ihrem Ge- 
schäftskreise auszuüben befugt ist, vom Reiche über- 
tragen sind. Dies scheidet Reichsbehörden und Landesbehörden 
etaatsrechtlich von einander. Dagegen ist es wohl möglich, dass 
eine Landesbehörde in Betreff’ bestimmter Geschäfte zugleich zu 
einer Reichsbehörde erklärt werden kann, wie z. B. die preussische 
Oberrechnungskammer zum Oberrechnungshofe des deutschen 
Reiches. 
Der ganze Behördenorganismus des Reiches gipfelt im Reichs- 
kanzler. In Betreff ihrer Unterordnung unter seine Befehle und 
Weisungen unterscheiden wir aber drei Klassen von Behörden: 
a oberste Verwaltungsstellen, welche ganz von seinen Weisungen 
abhängig sind, deren ganze Amtsthätigkeit durch seine Verant- 
wortlichkeit (bez. die seines Stellvertreters; gedeckt wird; b) Finanz- 
behörden, die in gewissen Funktionen von ihm unabhängig und in 
diesen auch auf ihre eigene Verantwortlichkeit gestellt sind; c) rich- 
terliche Behörden, die in allen ihren Entscheidungen völlig unab- 
hängig, nur an Gesetze und diesen gleichstehende Normen gebun- 
den sind. 
I. Der Reichekanzler und seine Stellvertretung'!. 
$ 267. 
l) Stastsrechtliche Charakteristik des Reichskanzlers. 
Auch bei Gestaltung dieses Reichsamtes hat das Vorbild des 
1 Laband, 155 32—33. G.Meyer, Lehrb.$ 135. Seydel, Kommentar 
8.126. v. Rönne, 1542. v.Martits,S.66fl, Zorn, B. 1512. S. 192 f. 
P. Gensel, Die Stellung des Reichskanzlers nach dem Staatsrechte des deut- 
schen Reiches ‘Annalen 1982,. Das Beste bei A. Hänel] in seinen Studien sum 
deutschen Staatsrechte B. II. Heft 1: Die organisatorische Entwickelung der 
deutschen Reichsverfassung. Leipzig 1990.
	        
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