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Zu Engelland und zu Frankenreich
Die Witwen schrien allgeleich:
„Ach Jammer, ach und wehl
Gen Bern sel niemand reisen meh!“
Im Dezember dessellen Jahres verließ Coucy die unwirthlichen
und ausgebrannten Gebiete der Schweiz und des Sundgaues. In
späterer Zeit verwerthete er sein abenteuerliches Leben in würdigerer
Weise durch Thaten gegen die Türken, und fand in harter Gefan-
genschaft zu Brusa in Asien seinen Tod.
Das kühne und doch glücklich zu Ende gebrachte Abenteuer des
Herrn von Coucy lud aber andere Ritter der französischen Nachbar-
schaft zu ähnlichen Unternehmungen in die hilflosen Reichslande ein.
Wenige Jahre später war es ein Graf von Varsey, unweit Chatil-
lon, der dem Elsaß zu zweien Malen schweren Schaden zuzufügen
wußte, wenn auch Straßburg stark genug des schwachen Feindes sich
erwehrte.
Was im 14. Jahrhundert noch als vereinzelte Unternehmungen
französischer Abenteurer zu bezeichnen war, erhielt im fünfzehnten bei
weitem mehr Zusammenhang und trat bereits mit dem bestimmten
Ziele französischer Gebietsvergrößerungen an unsern deut-
schen Grenzen hervor. Die Reichsgebiete in Schwaben und Elsaß er-
schienen als gute Beute für die westlichen Nachbarn, je mehr innere
Zerrissenheit und Schwäche der Reichsgewalt zu kühnem Raube ein-
zuladen schien.
Als die Macht Frankreichs in den Tagen der Jungfrau von
Orleans zu neuem Glanze emporstieg und die Engländer unter
Heinrich VI. zum Frieden genöthigt wurden, bezeichnete man die
Schaaren der Franzosen mit dem Namen der Armagnacs, obwol
der alte Feldhauptmann Bernhard ven Armagnac längst todt war und
sein Sohn Jean sie nicht mehr unter seinem Banner hielt. Aber
in diesen Heeren der Franzosen war die ganze Ritterschaft von Frank-