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Hier also die Schule, dort die Kirche; hier Freisinn, dort Or-
thodoxie; hier Toleranz, dort Verketzerung; hier Annäherung an den
Calvinismus, dort starres Lutherthum; hier Johannes Sturm, dort
Marbach.
Bei der Empfindlichkeit Sturms, bei der Herrschsucht Marbachs
konnten Reibungen nicht ausbleiben. In der That lieferten Mar-
bach und seine Helfershelfer den liberalen Gegnern eine Reihe von
Gefechten und Schlachten, welche mit dem vollständigen Siege der
Zeloten endigten.
Neter Martyr wurde 1556 von Marbach .aus Straßburg hin-
ausgeärgert und folgte einem Rufe nach Zuͤrich.
Martyrs Schüler Hieronymus Zanchi aus Bergamo, seit 1553
an der Straßburger Hochschule mit Erfolg thätig, ein sanfter be-
scheidener friedlicher Charakter, war der nächste, dessen Rechtgläubig-
keit in Frage gestellt wurde. Es entspann sich ein Streit, der für
die innere Geschichte des Protestantismus eine große prinzipielle
Wichtigkeit erhielt. Die Lutheraner trennten sich bei dieser Gelegen-
heit von den Reformirten in Bezug auf die Lehre von der Präde-
stination, und sie trennten sich damit von Luther selbst, sie schwächten
das Prinzip der Reformation ab, indem sie dessen consequente Aus-
bildung bei Seite drängten und die äußeren Gnadenmittel unge-
bührlich in den Vordergrund schoben.
Verschiedene auswärtige Gelehrte betheiligten sich an dem
Streite, die einen ergriffen für Zanchi Partei, andere wurden als
Schiedsrichter nach Straßburg berufen und suchten mehr im luthe-
ranischen Sinne zu vermitteln. Sie entwarfen die Straßburger
Concordie (1563), welche Zanchi mit Vorbehalt unterschrieb. Aber
Marbach wußte ihm das Leben so sauer zu machen, daß er noch in
demselben Jahre eine Predigerstelle in Chiavenna annahm.
Der Prediger der französischen Gemeinde, der auch von Marbach
alle möglichen Verfolgungen auszuftehen hatte, weigerte sich, jene
Concordienformel zu unterschreiben und zog sich dadurch die Schlie-
ßung seiner Kirche zu:; womit die französische Gemeinde in Straßburg