Neunzehutes Kapltel.
Die Universität Straßburg.
Ein Freund, der auf lange Zeit Abschied nimmt, pflegt uns
wol ein Andenken zu hinterlassen, womit er in dem Kreise seiner
Lieben fortzuleben hofft. Als das Elsaß sich auf zwei Jahrhunderte
von seinen deutschen Brüdern trennte, hat es ihnen fast im Augen-
blick des Scheidens ein Vermächtnis zugewandt, das im deutschen
Geistesleben segensvoll gedieh und lange fortwirkte.
Anno 1666, achtzehn Jahre nach dem westfälischen Frieden,
fünfzehn Jahre vor der Annerion Straßburgs, zog Philipp Jacob
Spener, ein junger Geistlicher von einunddreißig Jahren (geb.
1635 in Rappoltsweiler, gest. 1705), aus der elsässischen Capitale
nach Frankfurt am Main, um die Kirche dieser Stadt zu leiten und
jene glänzende Laufbahn zu eröffnen, welche zwanzig Jahre später
sich in Dresden fertsetzen und endlich in Berlin ihren Abschluß finden
sollte. Jene elsässische Richtung auf praktisches Christenthum, die
wir in Tauler, in Kaisersberg, in den Straßburger Reformatoren
gleichmäßig beobachten konnten, bricht in Spener noch einmal mächtig
durch und wird durch ihn dem gesammten deutschen Protestantismus
zugeführt, innerhalb dessen sie den ganz unleidlichen Zustand des
verknöcherten Lutherthums zerstören und die große Blüteepoche un-
serer Nationallitteratur vorbereiten hilft.
Wie kläglich war es um die Schöpfung Luthers bestellt! Die