Biertes Kapitel.
Verfassungskampf und ürgerzwist.
Die deutsche Geschichte hat seit dem Untergange der Staufer
einen wesentlich verschiedenen Charakter erhalten. Aus dem Zeit-
alter einer alles umspannenden, die verschiedensten Nationen vereini-
genden Weltherrschaft war sie mit dem Aufkommen des Königs
Rudolf von Habsburg herausgetreten in eine Epoche bundes-
staatlicher Einrichtungen mit sehr schwacher Praerogative der Krone.
Das Prinzip der Wählbarkeit des Königs, welches in den früheren
Zeiten durch den starken und fast immer beachteten Anspruch der
Erben gemildert war, wurde nun eine lange Zeit hindurch mit der
eifersüchtigen Tendenz gehandhabt, die Macht des Reichsoberhauptes
möglichst zu vernichten. An die Stelle der allgemeinen Volkswahl
war das ausschließliche Wahlrecht einiger weniger gleichsam zufällig
dazu bestimmter Familien und Fürsten getreten. Das Ziel der kai-
serlichen Politik wurde von keinem Könige mehr in der reinen Ent-
wicklung einer starken Centralgewalt, sondern in der Erwerbung
einer möglichst großen Hausmacht erblickt. Der bundesmäßige Cha-
rakter der deutschen Verfassung übte im Laufe der Jahrhunderte seine
abschwächenden Wirkungen auch auf das Verhältnis zwischen den
Kaisern und den ihnen unmittelbar unterstehenden Reichsständen
aus. Ein allgemeines, kaum recht zu bezeichnendes, dem Staats-
zwecke abholdes Gefühl der Unbotmäßigkeit, ein immer stärker hervor-
tretender Particularismus machte sich geltend.