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Nur in wenigen Ländern war die Ueberzeugung der Reichsan-
gehörigkeit mächtig, und man darf ohne Uebertreibung sagen: das
Elsaß war eines der besten Reichsländer und galt auch
dafür. Wie man in früheren Jahrhunderten die Franken als den
vorzugsweise königlichen Volksstamm ansah, so hat es bei der Wahl
Rudolfs von Habskurg keinen geringen Ausschlag gegeben, daß er
aus dem Stammland der Staufer war und so viele Beziehungen
zu dem letzten Kaiserhause hatte. Auch war er Landgraf in diesem
vorzugsweise als Reichsland betrachteten Elsaß. Die Bewohner des
Elsasses selbst sahen in seinem Geschlechte auch ihrerseits die gleich-
sam vorherbestimmten Nachfolger der allbeliebten staufischen Vor-
fahren. Aber freilich mußte man, wenn auch ungern, zugestehen:
schon König Rudolfs Regiment entsprach nicht ganz der stolzen
Größe staufischer Erinnerungen. Er war wol oft und gern im Elsaß;
in Hagenau hielt er, unter allen Städten des Reichs, mit Aus-
nahme etwa von Augsburg, fast am häufigsten großen Hof. Aber
wie kläglich war es zu sehen, daß der Herr des Kaiserthums in
endlosen Kämpfen seine Zeit mit den Grafen von Würtemberg über
dem Rhein drüben und mit den Herren in Burgund und dem
französischen Einfluß daselbst ohne alle großen Erfolge verlor, und
ohne daß er seine Alsicht, das schwäbische Herzogthum zu erneuern,
durchgesetzt hätte. Die große Heerfahrt nach Oesterreich im Anfang
der Regierung hat zwar den Elsässern nicht wenig imponirt, aber
unter der Masse des Volkes trug man sich doch mehr und mehr
mit dem Gedanken, es möchte dieser Rudolf der rechte Kaiser nicht
sein. Im Elsatz war es einem alten Einsiedler möglich, sich für
den todten Kaiser Friedrich auszugeben und als auferstandener Trä-
ger der wahren Krone viel Volks an sich zu locken und große Unruhe
zu schaffen, ganz so wie etwas später jener Tile Kolup, der am
Niederrhein seinen Kaiserspuk, dem lebendigen König zum Spotte,
trieb und auch nicht wenig Anhänger in Hagenau und Colmar fand.
Die Steuern Rudolfs fand man zu hoch in den Reichsstädten und
seinen Dienst hielten die Ritter nicht für lohnend genug.