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rere starke Misjahre erlebt. Im Jahre 1313 herrschten große Epi-
demien im Elsaß, und in den folgenden Jahren gab es große Ueber-
schwemmungen, Miswachs, Hungersnoth. Zahllose Menschenmengen
strömten aus den westlichen Ländern, aus Lothringen und Frank-
reich, Arbeit und Nahrung suchend, in die Rheinlande. Aber das
Elend vermehrte sich nur, in Colmar allein sollen in einem Jahre
13,600 Menschen gestorben sein.
Die nächste Folge dieser Unregelmäßigkeiten war eine unnatür-
liche Cirrulation der Geldwerthe. Die kleineren Bürgerschaften
Kingen in solchen Zeiten materiell gänzlich zu Grunde. Von
Stadtbehörden und Landesherren erhielten sie keinerlei Hilfe, alles
fiel dem Wucher in einer ganz maßlosen Weise anheim. Es gibt
Urkunden, aus denen man sieht, daß gewerbtreibende Leute vollständig
in den Frohndienft ihrer jüdischen Gläubiger gerathen waren, die
ihrerseits für sehr hohe Steuern den Schutz von Bischöfen, Fürsten,
Landesherren und von den Kaisern selbst genossen. Aber diese
von den öffentlichen Gewalten gewissermaßen begünstigten Uebel
führten in ganz Deutschland zu den stets wiederholten Excessen ge-
gen die Juden. Vereinzelte Judenverfolgungen, wie sie alljährlich
zu den gewöhnlichen Erscheinungen der Gesellschaft in allen Jabr-
hunderten gehörten, mögen kaum mehr in den Blättern der Geschichte
beschrieben werden. Dagegen erhielt die Judenfrage in den Städten
des Elsaß im 14. Jahrhundert eine principielle und wichtige Be-
deutung, und in Straßburg gab sie einen Anstoß zur Aenderung
der Verfassung. "
Schon im Jahre 1337 hatte im Oberelsaß die üble Stimmung,
welche seit den letzten Nothjahren gegen die Juden allerorten ent-
standen war, zu einer Art spstematischer Behandlung des Gegen-
standes geführt. Da zeigte sich, wie genau die Dinge untereinander
zusammenhingen: 1315 der Nothstand, 1320—1330 die Judenver-
folgung, 1337 die neue Lehre des Königs Armleder.
Wer war dieser Bettelkönig mit zahlreichem Gefelge! Seit
kurzer Zeit hatte sich eine religiöse Secte gebildet, welche behauptete,