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da geschah das Unerhörte, daß die Bürger auf das Rathhaus kamen
und mit Gewalt und Drohung ihr sogenanntes Recht verlangten.
Es waren Leute von der Metzgerzunft. Aber am Tage vorber, am
8. Februar 1349, hatte sich noch der Bischof mit den Stadtmeistern
vereinigt, den Juden Schutz angedeihen zu lassen. So hatte denn
der Ammeister Peter Schwarber die Metzger verhaften lassen, von
denen einer die Kühnheit hatte an ihn heranzutreten und zu sagen,
„er möge dech den Handwerkern auch etwas von dem Gelde geben,
mit dem die Juden die Meister bestochen hätten“". Bald erscholl
der Ruf zu den Waffen. Eine Revolution vollzeg sich, ohne daß
die Stadtmeister Widerstand leisteten, sie alle dankten ab. Bemer-
kenswerth war, daß man an der Spitze der Aufrührer auch An-
hänger der Zorn sah, die sich seit ihrem Sturz ganz auf die Hand-
werker stützten.
Die neue Verfassung vermehrte die Zahl der Mitglieder des
Raths um je drei aus jedem Stand, so daß es 11 vom Adel, 17
von den Altbürgern und 28 von den Handwerkern waren. Die
Wahl jedes neuen Rathes geschah von dem gesammten abgehenden
Rath; die vier Stadtmeister, welche wieder, wie ehedem, vierteljährlich
im Vorsitz wechseln sollten, wurden ebenfalls vem ganzen Rath ge-
wählt, ehne Rücksicht des Standes, der Ammeister aber aus den
Zunftvertretern allein.
Diese Verfassung blieb die Grundlage der Stadt durch alle
Zeiten; bis zum Jahre 1419 stand sie völlig ungeändert aufrecht.
Aber die Revolution sollte nicht mit dem friedlichen Werke einer
weisen Verfassung schließen. Schreckliche Volksjustiz wurde auf dem
Judenfriedhef vollzogen, wo man 6000 Opfer dieser Revolutien
verbrannte.
Vier Menate später schwang „der schwarze Tod“ seine rächende
Geißel über Straßburg, der schon seit dem Jahre 1348 die euro-
päischen Länder heimsuchte. Keine der furchtbaren Seuchen des Mittel-
alters ist genauer und eingehender geschildert worden als diese Pest,
die kaum einen Ort verschonte. Wer hätte nicht die gräßlichen