536 Der Angriff im Westen 1918
Vor der 1. und 3. Armee war der Feind planmäßig in seine zweite
Stellung ausgewichen, wir lagen auf der ganzen Front vor ihr fest.
Schon am 16. mittags gab die Oberste Heeresleitung den Befehl, den
Angriff bei der 1. und 3. Armee einzustellen und die Armeen unter Her-
ausziehen von Divisionen zur Abwehr zu gliedern. Seine Fortsetzung
würde zuviel gekostet haben. Wir hatten uns mit der Stellungsverbesse-
rung zu begnügen, die uns die Wiederinbesitznahme der im Frühjahr 1917
verlorenen Höhen brachte; gleichzeitig hatten wir ein tiefes Vorfeld ge-
wonnen. Die Truppen, die zurückgezogen wurden, standen der Heeres-
gruppe Deutscher Kronprinz oder der Obersten Heeresleitung als Reserven
zur Verfügung. Ich legte auf ihr baldiges Vorhandensein den größten Wert.
War der schwere Entschluß gefaßt, den Angriff bei der 1. und 3. Armee
einzustellen, so war ein weiteres Vordringen über die Marne und ein
Belassen unserer Truppen auf dem Südufer zwecklos. Eine sofortige Zu-
rücknahme der Truppen erschien unmöglich, die wenigen Brücken lagen
unter schwerem Artilleriefeuer sowie dauernden Bombenabwürfen und Ma-
schinengewehrfeuer der feindlichen Flieger. Die Übergangsverhältnisse für
den Rückzug waren zu ordnen, bevor er beginnen konnte. Am 17. wurde
er für die Nacht vom 20./21 befohlen. Die Truppen südlich der Marne
hatten schwere Tage zu durchleben und haben sie heldenhaft bestanden.
Nur närdlich der Marne, die Ardre aufwärts, glaubte die Oberste
Heeresleitung den Angriff noch weiterführen zu können, um Reims schärfer
zu umfassen und vielleicht doch noch zu nehmen. Die Heeresgruppe Deut-
scher Kronprinz hatte hierfür schon am 16. die erforderlichen Weisungen
erhalten. Am 17. nachmittags hatte ich Besprechung bei der 1. Armee in
Rethel über die Fortsetzung des Angriffs auf Reims. Ich betonte die Not-
wendigkeit, schnell zu handeln, damit wir auch auf diesem Schlachtfelde in
der Vorhand blieben. Aus dem Vortrage des Chefs hörte ich, daß die Vor-
bereitungen für die Fortsetzung auch dieses rein örtlichen Angriffs recht viel
Tage in Anspruch nehmen würden. Mir blieb nichts anderes übrig, als
mich zu bescheiden. Ich bat die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz von
neuem, beschleunigt Reserven zu bilden, und wies dabei auf die 18. Armee
und den rechten Flügel der 9. Armee hin, deren Verstärkung jetzt not-
wendig werden konnte.
Die anderen Fronten sah ich als gefestigt an. Die Oberste Heeres-
leitung hielt zunächst noch an dem Gedanken fest, bei der Heeresgruppe
Kronprinz Rupprecht in Flandern anzugreifen, obschon die erhoffte feind-
liche Schwächung dort nicht eingetreten war. Die Eisenbahntransport-
bewegung der Artillerie-, Minenwerfer= und Fliegerformationen aus der
Gegend von Reims nach dorthin hatte planmäßig am 16. abends be-
gonnen. Ich selbst fuhr in der Nacht vom 17. zum 18. in das Haupt-