Protokoll des Oberst Bauer vom 12. Juli 1917 409
Die freiheitlichen Bestrebungen, die Stresemann an sich auch wünscht,
müssen als Geschenk der Krone kommen, statt daß sie der Krone sozusagen
abgerungen werden.
Ein Parlamentarisieren des Ministeriums nützt an sich wenig, wenn
Bethmann Hollweg bleibt, da er doch nicht führen kann. Es muß gleich-
zeitig die Spitze fallen, die das Volk um soviel nationales Empfinden ge-
bracht hat.
3. Mertin (Wirtschaftl. Vereinigung). Die Kanzlerwechsel-Frage
tritt zurück hinter die Resolution! Wenn der Kanzler sich dahinter stellt,
so können wir ihm nicht solgen. Die Resolution ist ein Unglück.
Im übrigen haben wir ihn weder gestützt noch gestürzt, obwohl wir
klar sind, daß viele schwere Fehler gemacht sind. Wir glauben nicht, daß
er imstande ist, erfolgreich weiter zu regieren. Die Situation ist jetzt so,
daß man nicht mit ihm zusammen arbeiten kann (aber ein Wechsel mit
einem Bayern scheint ein noch größeres Unglück).
Engere Fühlung mit Reichstag und Regierung ist nötig dadurch, daß
Parlamentarier in die Regierung kommen. Aber nicht eine „Parlamen-=
tarische Regierung“", die wir ablehnen.
4. Exzellenz v. Payer (Frs. Volkspartei). Die Politik des
Kanzlers hat sich in einer Richtung bewegt, die seiner (Payers) Partei ent-
spricht. Er (Payer) hätte also keinen Grund zum Kanzlerwechsel und zu
einem Sprung ins Ungewisse! Aber es gibt auch andere Ansichten, die
entgegengesetzt sind, und die man nicht unterschätzen darf.
Es scheine ihm ferner, als ob die Beziehungen zwischen HO. H. L. und
Reichskanzler nicht so seien, wie es erwünscht wäre. Trotzdem hätte er
(Payer) bisher darin keinen Hindernisgrund gesehen, den Reichskanzler
zu halten. Denn ein Wechsel würde Beunruhigung erregen, weil man
nicht sicher sei über das, was dann kommt. Er (v. Payer) traut dem
Kanzler trotz seiner Fehler, die zuzugeben seien, zu, den Krieg zum sieg-
reichen Ende zu führen. Der Reichskanzler leidet allerdings an Unent-
schlossenheit uswm. Trotzdem sieht v. Payer zur Zeit die Notwendigkeit nicht
für vorliegend an, den Reichskanzler zu beseitigen. Ob es für die Zukunft
nötig ist, könne er nicht übersehen.
5. Erzberger (Zentrum). Der Parteivorstand hatte beschlossen
und dem Reichskanzler bekanntgegeben, daß ein Wechsel im Reichskanzler-
amt nötig ist, daß der Fortgang aber dem pflichtgemäßen Ermessen Beth-
mann Hollwegs überlassen bleiben muß.
Zusammenarbeit ist ausgeschlossen. Bleibt er, so wird auch nach Zu-
geständnissen die Lage immer schwieriger und bleibt unhaltbar.
Er empfindet es als Schlag ins Gesicht, daß Bethmann Hollweg ver-