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Weithin nach dem Felde zu erhebt sich ein gewaltiges Geschrei. Auch
eine große Waldeule hat der Hunger hervorgetrieben und sie wird nun von
Krähen und Elstern mit Hallo so lange verfolgt, bis sie wieder einen schützenden
Schlupfwinkel aufgefunden hat.
So sehen wir allenthalben rings umher Kampf und Streit, größten-
teils verursacht oder doch augenblicklich zur Geltung gekommen durch die
Not der bösen Jahreszeit, durch die Wintersnot, welche eingekehrt ist, wie
bei den armen Menschen so auch bei den Tieren. Während aber die klare
Wintersonne jetzt voll und herrlich über das Gewölk sich erhebt, zeigt sich
uns noch ein anderes Kampfbild. ·
Die Hirsche fressen jetzt an der zweiseitigen Futterkrippe, welche von
einem Strohdache überdeckt ist um das aufgestreute Heu vor dem Naßwerden
zu schützen. Eine Hirschkuh mit ihrem Kälbchen und der größte männliche
Hirsch wandern nahe herzu. Zwei andere Männchen aber bleiben seitwärts
auf der Lichtung stehen. Eifersucht, Zorn und Wut funkeln aus ihren
Blicken und eben wollen sie kämpfend aufeinander losstürzen. Jetzt prallen
sie klappernd mit dem Geweihe zusammen und das weithin schallende Ge—
räusch macht den alten sehr starken Bock aufmerksam. Noch ein-, zweimal
fahren sie in Wut zusammen, dann eilt der Alte in mächtigen Sprüngen
herbei um sie auseinander zu treiben. Aber noch ein anderer „dritter
Mann“ ist zugegen. Langsam erhebt sich das Feuerrohr des Jägers, mit
welchem wir hinausgegangen sind; ein Knall, und zum Tode getroffen
stürzt der „Schaufler“ mit dem breiten Geweih zusammen. In vielfachem
Wlderhall bricht sich der Donner des Schusses an den Waldwänden. Die
Hirsche sausen wie der Sturmwind davon und die Krähen fliegen mit Geschrei
dem Felde zu, während der Fuchs das Dickicht zu gewinnen sucht und die
Vögelchen nach dem tiefen Innern des Waldes flüchten.
Der Mensch hat sich den frei lebenden Tieren in seiner Furchtbarkeit
gezeigt. Doch das ist sein Recht; denn er darf ja in vernunftmäßiger Weise
alle seine Nebengeschöpfe zur Befriedigung seiner Bedürfnisse benutzen.
Ein gellender Pfiff ruft den an der Waldecke harrenden Schlitten herbei,
die Beute wird aufgeladen und der glückliche Schütze freut sich auf den wohl-
schmeckenden Sonntagsbraten. Wir aber haben bei dieser Gelegenheit
eine Anzahl der im deutschen Walde frei lebenden Tiere in ihrem Tun und
Treiben kennen gelernt. Karl Ruß.
93. Vom Wind und Wetter.
In Bezug auf das Wetter herrscht infolge der Unwissenheit noch sehr
viel Aberglaube. Hohe Zeit ist es, daß eine gesteigerte Kenntnis der Natur-
gesetze auch diesen Aberglauben verscheucht. Es ist Unsinn zu glauben,
daß Kometen, Sonnen= und Mondfinsternisse auf das Schicksal der Menschen
eine Einwirkung haben, daß der Mond das Wetter beeinflusse, daß man an
gewissen Tagen manche landwirtschaftliche Arbeiten vornehmen oder lassen
solle, daß am Freitag eine Veränderung des Wetters erfolge, daß man
das Wetter nach dem Hundertjährigen Kalender, nach dem Vogelfluge be-