Full text: Die Militär-Vorlage im Deutschen Reichstage.

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und an seine Einficht glaubender Zivilist der Meinung sein könnte. Ich bin 
also genöthigt, anzunehmen, daß die Herren in ihrer Oppofition gegen die 
Vorlage noch andere Gründe haben, als die Zweifel an der Autorität des 
militärischen Urtheils derjenigen Stellen, die ich namhaft gemacht habe. 
(Murren.) — Aus dem leisen Murren im Hintergrunde ziehe ich den Schluß, 
daß Sie bei dieser meiner Andeutung etwas ganz Anderes vermuthen, als 
ich zu sagen beabsichtige. Ob das ein Zeichen ist, daß irgend Jemand sich 
getroffen fühlt von der anderweiten Vermuthung, lasse ich hier unentschieden, 
das ist mir auch gleichgültig. Ich fürchte aber, Sie setzen bei den Regierungen 
andere Motive für deren Antrag voraus, als wie das ausschließliche Bedürfniß 
unserer defensiven Wehrkraft. Es find ja in der Presse Aeußerungen gefallen, 
als ob diese ganze Militärvorlage keinen Zweck weiter hätte, als unter 
falschen Vorwänden Steuern, Geld zu erheben. Das war der Fall in 
denselben entlegenen Theilen der Preßpolitik, wo die abenteuerlichsten, die 
kindischsten Gerüchte, wenn fie über Nacht ausgeschrieen werden, sofort 
Glauben finden. Es ist das ein so absurder Gedanke, daß wir mit einer 
Forderung von 20 bis 30 Millionen eine Grundlage für neue exorbitante 
Steuervorschläge gewinnen wollten, daß ich mich weiter gar nicht damit 
aufhalte. Was den moralischen Werth einer solchen Infinuation betrifft und 
ihre Bedeutung, so will ich doch nur darauf aufmerksam machen, daß sie 
ungefähr in gleicher Linie stehen würde mit der andern, wenn wir sagen 
würden, der Widerstand gegen unsere Vorlage sei eingegeben von dem Wunsche, 
daß Deutschland im nächsten Kriege nicht glücklich sein möge. (Murren.) 
Das steht ungefähr auf derselben moralischen Höhe wie ihre Verdächtigungen 
(Murren) — nicht Ihre, sondern die Preßverdächtigungen gegen die Intentionen 
der Regierung. Jene andere Verdächtigung hat doch noch mehr Haltbarkeit, 
da sich nicht leugnen läßt, daß es viele Einwohner Deutschlands giebt, die 
das Deutsche Reich und seine Fortexistenz negiren. Ich komme vielleicht auf 
diese Frage nachher noch weiter zurück. 
Ein glaublicheres Motiv, daß die Regierungen und namentlich die Ver- 
treter des Kaisers ihre Pläne nicht eingestehen, könnte in der Richtung 
gesucht werden, daß eine Verstärkung des deutschen Heeres etwa gewollt 
werde aus denselben Gründen, aus denen mancher eroberungs= oder kriegs- 
lustige Monarch eine starke Armee erstrebt hat, nämlich in der Absicht, dem- 
nächst einen Krieg zu führen, sei es, um bestimmte Zwecke durchzusetzen, sei es, 
um irgend etwas zu erobern, sei es, des Prestiges und des Bedürfnisses wegen, 
sich in die Angelegenheiten anderer Mächte vorwiegend einzumischen, also z. B. 
die orientalische Frage von hier aus zu reguliren. Ich glaube aber, auch dies 
wird als vollständig unbegründet gefunden werden von dem, der darüber nach- 
denkt, wie friedliebend die Politik Sr. Majestät des Kaisers bisher seit 16 Jahren 
gewesen ist. Es ist ja wahr, der Kaiser hat sich genöthigt gesehen, zwei große 
Kriege zu führen; aber diese beiden Kriege waren ein uns überkommenes zwin- 
gendes historisches Ergebniß früherer Jahrhunderte. Sie werden die Thatsache 
nicht bestreiten, daß der gordische Knoten, unter dessen Verschluß die nationalen
	        
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