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die den Krieg mit uns wünschen; sie haben die Absicht, ehrlich mit uns
zu leben. Ebenso war es mit der früheren Regierung Freycinet oder Ferry.
Alle diese Herren waren freundlich, so lange sie am Ruder waren, und wenn
Sie nur deren Regiment auf längere Zeit verbürgen könnten, so würde ich
sagen: Sparen wir unser Geld, aber sparen wir es nicht für den Fall, daß
wir vielleicht feindliche Kontributionen zu zahlen haben. Wie die Sachen liegen,
kann mich dieses Vertrauen auf die friedlichen Gefinnungen der franzöfischen
Regierung, auf die friedlichen Gesinnungen eines großen Theiles der fran-
zösischen Bevölkerung aber nicht bis zu dem Grade von Sicherheit einwiegen,
daß ich sagen könnte: Wir haben einen französischen Krieg gar nicht mehr
zu fürchten. Nach meiner Ueberzeugung haben wir ihn zu fürchten durch
den Angriff Frankreichs, ob in zehn Tagen oder in zehn Jahren, das ist
eine Frage, die ich nicht entscheiden kann, das hängt ganz ab von der Dauer
der Regierung, die gerade in Frankreich ist. Als die letzte Regierung, die
Regierung Freycinet, zum Rücktritt genöthigt wurde, hat 24 Stunden vorher
Jemand eine Ahnung davon gehabt? Ich wenigstens nicht, und ich glaube,
daß ich ziemlich gut unterrichtet war. Hat nachher acht oder vierzehn Tage lang
hier irgend Jemand gewußt, wer in Frankreich ans Ruder kommen würde?
In welcher Verlegenheit die Parteien mit ihrer Parlamentsherrschaft waren,
um zu bestimmen, wer nun regieren sollte, das haben wir Alle gewußt, aber
was daraus werden würde, das hat Keiner vorhersagen können. Es konnte
auch noch anders kommen, es konnte auch ein weniger friedliches Kabinet
als das des Herrn Goblet aus dieser Krifis hervorgehen. Es ist an jedem
Tage möglich, daß eine französische Regierung ans Ruder kommt, deren ganze
Politik darauf berechnet ist, von dem feu sacre zu leben, was jetzt so sorg-
fältig unter der Asche unterhalten wird. Darüber können mich auch keine
friedlichen Verfsicherungen, keine Reden und keine Redensarten vollständig
beruhigen, ebenso wenig wie ich weiß, was ich damit machen soll, wenn uns
hier im Parlament verfichert wird: wenn die Gefahr eintritt, dann können
Sie auf den letzten Thaler rechnen, dann stehen wir mit Gut und Blut ein.
Das find Worte, damit kann ich nichts machen. Worte sind keine Soldaten,
und Reden sind keine Bataillone; und wenn wir den Feind im Lande
haben und wir lesen ihm diese Reden vor, dann lacht er uns aus. (Heiter-
keit rechts.)
Ich bin also der Meinung, daß der historische Prozeß, der seit drei
Jahrhunderten zwischen uns und Frankreich schwebt, nicht beendigt ist, und
daß wir darauf vorbereitet sein müssen, ihn von franzößischer Seite aus fort-
gesetzt zu sehen. Wir find gegenwärtig im Besitz des streitigen Objekts, wenn
ich das Elsaß als solches bezeichnen soll. Wir haben gar keinen Grund,
darum zu kämpfen; daß Frankreich nach dessen Wiedereroberung nicht strebt,
kann Keiner behaupten, der sich irgendwie um die französische Presse
bekümmert. Hat es schon irgend ein franzöfisches Ministerium gegeben,
welches hat wagen dürfen, öffentlich und bedingungslos zu sagen: wir ver-
zichten auf die Wiedergewinnung von Elsaß-Lothringen, wir werden darum
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