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geben wollen, Kompromisse, die einmal beschlossen sind, wieder zu lösen und
zu verlassen; wir wollen Sie auf diesem Wege nicht ermuthigen, und wir
wollen die Anlässe zu Konflikten und Verstimmungen nicht häufen.
Die Auflösung eines Reichstags ist ja ein vollständig verfassungsmäßiges
Mittel. (Zuruf.) Wenn der Abgeordnete Windthorst sagt, daß ich dabei
Leute zu erreichen hoffte, die zu allem Ja sagen, was ich wünsche, so macht
er den Wählern ein falsches Bild von meinen Wünschen. Ich glaube, ich
habe mich nie in der Welt als einen unhbilligen, und bis zur thörichten Ueber-
hebung unbilligen Menschen gezeigt, und bei jedem, der mich kennt, wird der
Abgeordnete Windthorst mit dieser Charakteristik von meiner Person keinen
Glauben finden. Ich habe mit der konfervativen Partei ja manchen Strauß
gehabt, und die Galle ist mir in meinem Leben sehr viel öfter übergegangen
über meine Freunde als über meine Gegner; aber nichts destoweniger habe
ich mich nie dazu veranlaßt gesehen, irgend Jemanden wegen Meinungsver-
schiedenheiten Vorwürfe zu machen. Ich glaube im Gegentheil, die Herren
Führer der Opposition sind durch den blinden Gehorsam, den fie als Herrscher
über gebogene Knieen in ihren Fraktionen zu finden gewohnt sind, ihrerseits
so verwöhnt (Oho!l links und im Zentrum), daß sie auch den Widerspruch
der Regierung nicht mehr vertragen. Ich bin vielleicht der einzige Mensch,
der im Laufe des ganzen Jahres es wagt, dem Abgeordneten Windthorst zu
widersprechen. (Große Heiterkeit.) Ist hier im Reichstage irgend Einer, der
die Kourage dazu hat, außer den Sozialdemokraten? Diese haben den Muth,
aber von den Uebrigen sind Alle in der Furcht vor dem Herrn Parteichef,
und der ist seinerseits keinen Widerspruch gewohnt und geräth in Zorn und
sittliche Entrüstung, nur weil ich anderer Meinung bin als er über die Auf-
lösung. Darum keine Feindschaft! Kommen Sie Alle wieder, dann werden
wir uns ganz dieselben Reden über drei Monate hier halten, die wir heute
gehalten haben; aber die Ueberzeugung der verbündeten Regierungen und
ihre feste Entschlossenheit in Bezug auf die Wehrhaftigkeit des Volkes, die
sie für nothwendig halten, nicht um ein Haarbreit nachzulassen, wird in drei
Monaten dieselbe sein wie heute. (Lebhaftes Bravo rechts.)
Die weitere Berathung wurde hierauf vertagt und die Sitzung
nach einigen persönlichen Bemerkungen goeschlossen.
Die Berathung wurde in der 20. Sitzung des Deutschen Reichs-
tages, am Donnerstag, den 13. Januar 1887, zu Ende geführt.
Nach Eröffnung der Sitzung erhielt das Wort der Abgcordnete Graf
von Moltke und sprach Folgendes:
Nur eine kurze Bemerkung. Es scheint, daß die wenigen Worte, welche
ich in der Sitzung vom 11. Januar gesprochen habe, eine verschiedene Auf-
fassung gefunden haben. Ich habe meine Befriedigung darüber ausgesprochen,
daß keine von den größeren Parteien hier im Hause der Regierung ver-
weigern will, was sie zur Vertheidigung des Landes als nöthig verlangt,