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den Reichstag enthält (Große Heiterkeit) oder gegen sonst Jemand. Diejenigen
Artikel, die dergleichen enthalten sollten, haben sich sicherlich meiner Zenfur
entzogen; das bitte ich ein für allemal anzunehmen. Aber ich kann doch
unmöglich für jeden Inhalt irgend einer Redaktion verantwortlich sein. Es
passirt mir, wie ich schon früher gesagt habe, vielleicht nur in vierzehn Tagen
einmal, daß ich ein derartiges Erleichterungsbedürfniß habe, was ich nicht
zurückdrängen könnte.
Der Herr Abgeordnete hat zu verstehen gegeben, er wüßte nicht recht,
was in dem österreichischen Bündnißvertrage stehe, und was überhaupt noch
darin stehen könnte. Ja, da möchte ich ihn nur bitten, sich mit dem alten
Goethe'schen Spruche zu beruhigen: „Allwissend bin ich nicht, doch ist mir
viel bewußt."“ Ihm ist sehr viel dewußt, aber es muß auch Einiges geben,
was er nicht weiß. (Heiterkeit.)
Der Herr Abgeordnete hat ferner — er schien es als eine sehr schwere
Anklage zu accentuiren, was ich als eine solche gar nicht acceptiren kann, —
er hat gemeint: wir, die verbündeten Regierungen wären der Ansicht, daß
mit einem so komponirten Reichstage es nicht ginge. Das ist allerdings
unsere Meinung; das ist aber kein Lossagen von der Verfassung. Wir
bleiben auf dem Boden der Verfassung, wenn wir durch eine Auflösung zu
einem anderen Beschlusse zu gelangen suchen, und wenn wir inzwischen nach
Material suchen, um die Wähler zu überzeugen, daß gerade unsere Ansicht
die richtige ist. Das ist außerordentlich schwierig, da nicht viele Leute
mehrere Zeitungen lesen, sondern nur eine. Aber so schwierig es auch sein
mag, müde werden wir darin nicht werden, und zuletzt wird es uns doch
gelingen; Recht muß doch Recht, und Wahrheit muß doch schließlich wahr
bleiben, und darauf verlassen wir uns. (Bravol rechts.) Und wir werden
auch schließlich die Wähler überzeugen, wo wahrer Patriotismus und wo
die Sorge für die Sicherheit, für das Gedeihen des Deutschen Reiches und
seine Einigkeit zu suchen ist. Ich bezweifele das gar nicht.
Der Herr Vorredner hat ferner wieder den Accent darauf gelegt, daß
zwischen drei und fieben Jahren prinzipiell doch eigentlich gar kein Unter-
schied wäre. Nun, prinzipiell ist der Unterschied allerdings nicht so groß als
materiell. 4 Jahre gewonnene Ruhe und Frieden ist doch immer ein ganz
erheblicher Gewinn. Hauptsächlich aber wollen wir die Tradition des Kom-
promisses unsererseits nicht kränken und schädigen, weil es in der That die
einzige Möglichkeit ist, in konstitutionellen Verfassungen dauernd im Frieden
zu leben. Es giebt keine Verfassung, — und wenn die geschicktesten Leute
sie redigirt hätten, und je geschickter, desto seltener giebt es deren vielleicht,
außer der englischen, die gar nicht geschrieben ist; — sonst giebt es keine
Verfassung, die nicht Lücken hätte, wo nicht die Lückentheorie in Fällen An-
wendung findet, die immer nur durch Kompromiß überwunden werden
können. Wir haben in unserer Friedensliebe 1874 diesen Kompromiß auf
7 Jahre lang abgeschlossen und sind bereit, alle 7 Jahre lang wieder in
diese qualvollen Diskussionen einzutreten, aber nicht öfter. Sie wollen sich