98 Allgemeiner Teil.
das Postwesen des dtsch. Reiches vom 28. Okt. 1871, RGBl. S. 347)1). Der
so freigegebene mit der Reichspost konkurrierende Privat-Gewerbebetrieb ist
durch keine Spezialgesetzgebung zum Schutze der Interessen des Publikums
geregelt; in dieser Beziehung besteht eine der Gesetzgebung über das Maß-,
Münz= und Gewichtswesen und dgl. entsprechende Rechtsordnung nicht.“
Weiter führt das OG. aus, daß die Polizei zum Schutze der
Reichspost auch unter dem Gesichtspunkte des Schutzes der öffent-
lichen Sicherheit und der Abwendung von Gefahren berufen
sei; zum Schutze und zur Förderung des von der Reichspost gepflegten
Wohlfahrtsinteresses sei aber die Polizei nicht berufen:
„Eine solche auf Wohlfahrtspflege gerichtete Tätigkeit der polizeilichen.
Exekutive ist dieser für eine ganze Reihe anderer Gebiete durch besondere
Gesetze eingeräumt. Dagegen kann die Zuständigkeit zu derselben jedenfalls
nicht nach preußischem Staatsrecht ohne solchen besonderen gesetzlichen Anhalt
aus dem Begriff und Wesen der Polizei allein hergeleitet werden. Es ist
dies in der Entscheidung des 2. Senats des Gerichtshofes vom 14. Juni 1882
(Entsch. Bd. 9 S. 353 ff.)2) für einen anderen Fall eingehend dargetan und
dabei nachgewiesen worden, daß es insbesondere bei der Umschreibung der
Machtbefugnisse der Polizei durch das ALR. (8 10 Teil II Tit. 17) nach der
Entstehungsgeschichte des Gesetzes wohlbedacht vermieden worden ist, dieselben
bis zur Pflege der öffentlichen Wohlfahrt allgemein auszudehnen. Was hier
insbesondere für das Gebiet dieses Gesetzbuches klargestellt worden, ist ge-
meines Preußisches Recht. Dasselbe kennt in dieser Beziehung keine grund-
sätzliche Verschiedenheit. Die so der polizeilichen Exekutive gezogene Schranke
findet sich überall, wo Spezialgesetze keine Ausnahmen begründen, sorg-
fältig gewahrt, unb zwar auch auf öffentlichen Verwaltungsgebieten, welche
sich über die Leistung des polizeilich Erzwingbaren hinaus auf die Wohl-
sahrtspflege erstrecken, Beides miteinander verbinden. Dieselbe könnte auch
nicht aufgegeben werden, ohne alle Lebensbeziehungen der Zwangsgewalt der
Polizei nach deren diskretionärem Ermessen zu unterstellen.“
Und andererseits über die Reichsfernsprech-(Telephon-
Anlagen: O. 20 S. 405/6:
. Nun hat der Erste Senat des Gerichtshofes bereits in dem in
Bd. 15 S. 42ff. der Entscheidungen veröffentlichten Urteil vom 14. November
18878) näher dargetan, daß die Rechtsverhältnisse des Reichspostbetriebes
gegenüber den konkurrierenden Privat-Verkehrsanstalten nicht Teil oder Gegen-
stand der öffentlichen Ordnung im Sinne des § 10 Tit. 17 Teil II AL. sind.
1) Während nach 81 des Postgesetzes v. 28. Okt. 1871 der Postzwang nur für
verschlossene Briefe im Fer nverkehr galt, ist derselbe durch die Novelle
v. 20. Dezember 1899 auch auf verschlossene und solchen gleichzuachtende Briefe aus-
gedehnt, die innerhalb der Gemeindegrenzen ihres mit einer Postanstalt
versehenen Ursprungsortes verbleiben. Hiernach unterliegen unverschlossene
Briefe, Karten, Drucksachen und Warenproben auch heute weder
im Orts- noch im Fernverkehr dem Postzwange. Doch dürfen nach
Art. 3 Abs. 1 der Novelle Anstalten zur gewerbsmäßigen Einsammlung, Beförderung
oder Verteilung von unverschlossenen Briefen, Karten, Drucksachen oder Warenproben
mit der Aufschrift des Empfängers vom 1. April 1900 ab nicht mehr betrieben werden.
Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bis zu 1500 Mk. oder mit Haft oder mit
Gefängnis bis zu 6 Monaten bestraft.
2) Abgedruckt zu 8 7 II.
:) Vgl. das vorstehend abgedruckte Erkenntnis.