VI
Im Heimatgebiet
Von einem besonderen Nachrichtendienst des Feindes in der Heimat
kann eigentlich nur in Deutschland gesprochen werden. Der Nachrichten-
dienst des deutschen Generalstabs in Frankreich und Rußland erschöpfte
sich auf den Kriegsschauplätzen, zu denen diese Länder geworden waren.
Soweit er sich weiter rückwärts im Hinterlande betätigen konnte, voll-
zog er sich gleichfalls unter den für den Kriegsschauplatz bereits ge-
schilderten Verhältnissen. England und Amerika waren durch das Meer
gegen das Eindringen des Nachrichtendienstes so gut wie vollkommen
geschützt. Aus dem gleichen Grunde konnten beide Länder das Heraus-
kommen jeder Nachricht auf ein Mindestmaß beschränken. Um so
größeres Aufsehen wurde von den wenigen Spionen gemacht, denen es
gelang, einzudringen, und die in der Mehrzahl der Fälle festgestellt
worden sind. An die Zahl der in Deutschland ergriffenen Spione, die
später genannt werden wird, reichen diese Zahlen aber nicht annähernd
heran.
Denn anders lagen die Verhältnisse für die Entwicklung einer um-
fangreichen Spionage und aller sonstigen Aufgaben des Nachrichten-
dienstes in Deutschland. Von allen Seiten vom Feinde umlagert, hatte
es ausgedehnte Landgrenzen zu den neutralen Nachbarn. Weniger noch
als die Grenze im Rücken des kämpfenden Westheeres waren diese
Grenzen zu sperren. Deutschland mußte zudem im eigenen Interesse
den Verkehr zum Ausland aufrechterhalten. Der Feind legte ihm hierin
keine Schwierigkeiten in den Weg, um sich nicht selbst den Weg für
seine Agenten zu versperren. Die Absperrung Deutschlands gegen das
Ausland begann erst an der holländischen, der dänischen und norwegi-
schen Küste und an der Grenze der Schweiz gegen Frankreich. Es ist
bezeichnend, daß kaum ein Angehöriger eines außerhalb des Ringes der
Kriegführenden liegenden neutralen Staates als Agent in Deutschland
ergriffen worden ist. Jeder, der England oder Frankreich vom Westen
her passierte, wurde auf das äußerste beargwöhnt. Jwar wurden auch