Full text: Geheime Mächte - Internationale Spionage und ihre Bekämpfung im Weltkrieg und heute.

136 Im Heimatgebiet 
Aber auch die militärische Erkundung bedurfte sachverständiger Or- 
gane. Durch Deutschland vollzogen sich die Transporte von einer Front 
zur anderen. Der Feind ergänzte deshalb hier seine in den neutralen 
Ländern gewonnenen Nachrichten, die größtenteils Zufallsmeldungen 
waren und die von den Kriegsschauplätzen, die meist erst die Ereignisse 
im Stadium der letzten Vorbereitung meldeten, durch dauernde Entsen- 
dung von Spionen mit bestimmt formulierten militärischen Fragen in 
das Innere Deutschlands. In großer Zahl fanden sich für diese Auf- 
gaben Agenten unter den deutschen Fahnenflüchtigen im neutralen Aus- 
land. Die Fahnenflucht nach Holland war während des Krieges leichter 
als die nach der Schweiz, weil die Grenze gegen Deutschland länger und 
deshalb schwerer zu überwachen war. Auch war sie deshalb zahlreicher, 
weil Holland im Rücken des kämpfenden deutschen Heeres lag. Weil 
in Holland der nach Deutschland hineinarbeitende englische Nachrichten- 
dienst überwog, stellten dort die deutschen Fahnenflüchtigen die meisten 
Agenten für diesen. In der Schweiz dagegen verfielen sie der französi- 
schen Spionage. Es ist ein Fall bekannt geworden, daß ein elsässischer 
Schlepper im Jahre 1917 allein über 50 deutsche Deserteure dem fran- 
zösischen Nachrichtendienst als Spione gegen Deutschland zuführte. 
Mittellos, innerlich bereits von ihrem kämpfenden Volke getrennt, er- 
lagen die Deserteure leicht der Verführung. Sie waren als deutsche 
Soldaten urteilsfähig und hatten unter den deutschen Truppen Bekannte. 
Die notwendigen Papiere wurden ihnen vom Nachrichtendienst der 
Gegner in kaum erkennbaren Fälschungen ausgehändigt. Verhältnis- 
mäßig nur wenige Deserteure gingen nach Dänemark. Hier schleppte 
der deutschfeindliche Südfütische Verein Fahnenflüchtige für den franzö- 
sischen Nachrichtendienst. 
Die zahlreichen in der Schweiz lkebenden russischen Flüchtlinge und 
Verbannten unterstützten den Nachrichtendienst nur wenig, offenbar aus 
Gegnerschaft gegen die Jarenregierung, dagegen nahmen sie lebhaft teil, 
als er sich nach Rußlands Zusammenbruch in eine gegen Deutschland 
betriebene sozialistische Propaganda wandelte. 
Eine ergiebige Spionenquelle bot auch die in der Schweiz bestehende 
deutsche Arbeiterzentrale, besonders zur Erkundung der deutschen Kriegs- 
wirtschaft. « * 
Die französischen Agenten waren zweifellos nicht genügend auf ihre 
Zuverlässigkeit geprüft. Der Grund hierfür dürfte darin zu suchen sein,
	        
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