144 Im Heimatgebiet
Briefe in Geheimschrift viele Nachrichten, von denen die Absender an-
nahmen, daß die Zensur des eigenen Landes sie nicht passieren lassen
würde. Die gesamte aus- und eingehende Post mußte daher bei den
Postprüfungsstellen chemisch behandelt werden. Der organisierte Nach-
richtendienst wandte sich aber sehr bald nach Kriegsausbruch der Ver-
wendung von chemischen Geheimtinten zu, bei denen das übliche Entwick-
lungsverfahren versagte. Die geringsten Fortschritte machten die im rus-
sischen Nachrichtendienst verwendeten Geheimtinten. Am zähesten aber
und bis zum Schluß des Krieges erfand der französische Nachrichten-
dienst immer neue Verfahren. Das einfachste Mittel, den Posiverkehr
ganz zu unterbinden, ließ sich nur zur Zeit größter militärischer Krisen
anwenden, denn Deutschland mußte aus anderen Rücksichten den Ver-
kehr mit dem Ausland aufrechterhalten. Für den Feind lagen die Dinge
günstiger. Er brauchte nur den Briefverkehr von und nach Deutschland
zu überwachen, der in die übrige Welt konnte ihm nichts schaden. In
dem wissenschaftlichen Kampf um chemische Tinten und Entwickler
blieben die letzten Sieger. Es hat keine Tinte erfunden werden können,
deren Feststellung nicht möglich gewesen wäre.
Die gesamte Post mußte aber auch gelesen werden. Briefteile, die
der Kenntnis des Feindes entzogen werden mußten, wurden von der
Zensur durch ein Deckmittel unkenntlich gemacht, von dem angenommen
wurde, daß es nicht zu beseitigen sei, jedenfalls nicht ohne gleichzeitig
die darunter befindliche Schrift zu zerstören. Der Nachrichtendienst des
Bestimmungslandes hatte aber ein Interesse daran zu erfahren, was die
Zensur seiner Kenntnis entziehen wollte. Die Wissenschaft suchte daher
Wege, die von der gensur verwendeten Deckmittel zu lösen, ohne die
darunter befindliche Schrift zu beschädigen. Umgekehrt suchte sie immer
nach neuen Deckmitteln, die sich nicht beseitigen lassen sollten. In diesem
Wettkampf haben die Interessen des Nachrichtendienstes gesiegt. Kein
Deckmittel hat sich als unbedingt sicher erwiesen.
Der Nachrichtendienst war auch dauernd erfinderisch in anderen Mit-
teln, unter Briefmarken, zwischen zusammengeklebten Postkarten, in der
Hülle von Paketen Nachrichten zu übermitteln. Die Sammlung des
Abwehrdienstes enthielt Beweisstücke von fabelhafter Erfindungsgabe
und mühseliger Arbeit.
Für den Telegrammverkehr war allgemein die Anwendung von Kodes
verboten. Dennoch konnten äußerlich unverfängliche Telegramme in