Im Heimatgebiet 151
im Kriege leicht gegen die Interessen des Vaterlandes. Mancher schien
sich gar nicht bewußt zu sein, daß Unterhaltungen im neutralen Aus-
land und Briefwechsel wie im Frieden im Kriege leicht an Landes-
verrat streiften. Besonders bedenklich war es, daß Indiskretionen aus
dieser Quelle häufig gegen Persönlichkeiten begangen wurden, die der
feindlichen Staatsleitung nahe standen.
Ganz ebenso lag es mit den internationalen Beziehungen des Groß-
handels. Auf diesem Wege konnte der Feind Nachrichten erhalten, die
ihn über große entscheidende Fragen unterrichteten und ihn der Mühe
der Aufklärung durch kleine Einzelunternehmungen enthoben. Auf diesem
Wege konnte auch Einfluß in politischen und wirtschaftlichen Fragen
gewonnen, d. h. Propaganda und Politik in großem Stil getrieben
werden.
Die Börsen waren ein weiterer gefährlicher Mittelpunkt für Nach-
richten und der Tummelplatz zahlreicher feindlicher Agenten, die dort
sowohl Nachrichten einzogen, wie Propaganda trieben.
Als sehr bedenklich mußten die angesichts der innerpolitischen deut-
schen Einstellung völlig unkontrollierten Beziehungen zwischen den inter-
nationalen politischen Parteien gelten. Es konnte nicht ausbleiben, daß
bei Konferenzen in neutralen Ländern Dinge zur Sprache kamen, auf
die sowohl der feindliche Nachrichtendienst Wert legte wie auch seine
Mopaganda einwirkte. Dies war besonders für Deutschland gefährlich,
weil seine internationalen Parteien es mit der Internationalität ernst
nahmen, während die der Feindländer die nationalen Ziele ihrer Krieg-
führung tatkräftig unterstützten und die Parteien neutraler Länder über-
nationale, jedenfalls nicht die deutschen Interessen vertraten. Die deutsche
Oberste Heeresleitung hat deshalb die Teilnahme von Vertretern interr
nationaler Parteien an Konferenzen im Ausland nach Möglichkeit be-
kämpft.
In diesem Zusammenhange müssen auch die neutralen Vertretungen
in den kriegführenden Ländern betrachtet werden. Die in Deutschland
beglaubigten Militärattachés neutraler Staaten genossen und verdienten
zwar das volle Vertrauen der Obersten Heeresleitung. Immerhin haftet
dieser Einrichtung die Gefahr an, daß durch sie fachmännische Urteile
in das neutrale Ausland gelangten, wo sie nicht immer mit der not-
wendigen Verschwiegenheit behandelt wurden. Der Nachrichtendienst im
neutralen Ausland hatte es nicht schwer, aus dieser Quelle die wert-