Full text: Geheime Mächte - Internationale Spionage und ihre Bekämpfung im Weltkrieg und heute.

Die Ergebnisse 161 
Grenze beschlagnahmt. Im Laufe des Jahres 1918 mehrten sich die 
Beweise, daß die Anstrengungen des Ententenachrichtendienstes auf Re- 
volutionierung Deutschlands bei weitem durch die Arbeit der russischen 
Botschaft in Deutschland selbst übertroffen wurden. Ebenso gingen immer 
mehr Beweise dafür ein, daß die Entente in Rußland, in Wien, Budapest 
und Sofia auf den Umsturz hinarbeite. Es war nicht schwer, festzustellen, 
daß die zwischen Berlin und Moskau verkehrenden Kuriere der bolsche- 
wistischen Regierung die Uberbringer der zahlreichen revolutionären Flug- 
schriften waren, die in tadellosem Deutsch in allen Industriegegenden 
Deutschlands auftauchten und sich von dem Propagandamaterial der 
Entente nur dadurch unterschieden, daß sie radikalere Forderungen stell- 
ten als diese. Schwer aber war es, die zu politischem Einfluß in 
Deutschland gelangten Kreise von der Gefährlichkeit dieses Vorgehens 
zu überzeugen. Der Nachrichtendienst mußte zu dem Mittel greifen, 
eine von den zwölf einen kbm. großen Kisten, mit denen ein russischer 
Kurier wieder einmal aus Mockau eintraf, in Berlin die Treppe des 
Bahnhofs Friedrichsstraße hinunterfallen zu lassen, sodaß die Kiste 
sich öffnete und ihr Inhalt, die vorerwähnten Flugschriften, in Hundert- 
tausenden von Exemplaren zum Vorschein kam. Erst jetzt erhielt der 
russische Botschafter Joffé seine Pässe. Es war am F. November 1918, 
vier Tage vor Ausbruch der Revolution. Ich erhielt die Meldung hier- 
von auf der Fahrt zum Nachrichtendienst auf dem östlichen Kriegsschau- 
platz an der russischen Grenze. Der meldende Grenzbeamte teilte mir 
gleichzeitig mit, daß Weisung eingegangen sei, zu verhindern, daß der 
russische Botschafter bei seiner Durchreise durch das östliche Kriegs- 
gebiet bolschewistische Propaganda treibe, wie er dies während der 
Fahrt von Berlin zur Grenze tue. Ich konnte mich innerlich der Frage 
nicht entziehen, wie wohl die feindlichen Regierungen mit einem Bot- 
schafter vom Sowjetrußland verfahren würden, wenn er sich eine solche 
Handlungsweise auf ihrem Gebiet in diesem Stadium des Krieges er- 
laubt hätte. 
Indem ich mit diesen kurzen Beispielen die Zustände in Deutschland 
schildere, erübrigt sich jede Erklärung dafür, daß der politische Nach- 
richtendienst sein Ziel in Deutschland restlos erreichen konnte. Damit 
waren auch alle Erfolge des militärischen Nachrichtendienstes vernichtet. 
Nicolal 11
	        
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