Full text: Geheime Mächte - Internationale Spionage und ihre Bekämpfung im Weltkrieg und heute.

Kriegsvorbereitung 25 
angeführt. Dessen Vater hatte sich nach dem Kriege 1870/71 als Händ- 
ler mit französischen Weinen in München angesiedelt. Dem Sohn wurde 
deutsche Ausbildung zuteil. Späterhin machte er sich im Dienste der 
internationalen Schlafwagengesellschaft mit Deutschland vertraut. Im 
militärpflichtigen Alter wurde er vom französischen Generalstab einge- 
zogen und im Nachrichtendienst ausgebildet. Er hatte dafür zu sorgen, 
daß seine deutschen Bekanntschaften sich auf das Reich verteilten. Be- 
sonders seine Freundinnen aus München wurden durch ihn veranlaßt, 
nach Berlin überzusiedeln und den Verkehr mit jungen Offizieren, vor- 
zugsweise solchen militärischer Bildungsanstalten zu suchen. Bekannt 
geworden sind zwei Fälle, daß deutsche Offiziere der systematischen 
Verführung dieser einen Organisation erlagen. Sie stahlen die Artillerie- 
und Ingenieurschule unter französischer Anleitung vollkommen aus. Was 
nicht verschwinden durfte, wurde mit französischer Hilfe photographiert. 
Eine besonders ausgiebige Quelle für militärische Nachrichten aus 
Deutschland stand dem französischen Nachrichtendienst in Gestalt der 
nach Frankreich entwichenen deutschen Fahnenflüchtigen zu Gebote. Auf 
die Auswertung dieser Nachrichtenquelle wurde schon vor dem Kriege 
besondere Sorgfalt verwendet. Durch eine gemeinschaftliche Verfügung 
der Ministerien des Innern, des Krieges und der Marine vom 1. Juni 
1913 wurde unter Aufhebung früherer Anordnungen das Verfahren 
umfassend neu geordnet. Insbesondere wurde Vorsorge getroffen, daß 
jeder Uberläufer eingehend und sachverständig „au point de vue mili- 
taire“ durch einen hierfür im voraus bestimmten Offizier vernommen 
und daß er geeignetenfalls, nämlich wenn anzunehmen war, „aquil sera à 
meéme de fournir des renseignements particulièrement intéressants“ 
zur weiteren Befragung dem Kriegsministerium in Paris zur Verfügung 
gestellt wurde. Für die Ausfragung waren eingehende Anweisungen er- 
teilt, und zwar für Fahnenflüchtige des Landheeres bereits seit dem 
Jahre 1909. Das mit den Fahnenflüchtigen aufzunehmende Protokoll 
mußte sich auf bestimmte zahlreiche, nach der Waffengattung des Be- 
fragten sich richtende Fragen erstrecken, deren Beantwortung wertvolle 
Nachrichten über deutsche Heereseinrichtungen liefern konnte. Erwähnens- 
wert ist, daß auch darauf Bedacht genommen wurde, die Fahnenflüch- 
tigen zur Abgabe ihrer militärischen und sonstigen Ausweise zu be- 
stimmen, die dem Nachrichtendienst abzuliefern waren zur Verwendung 
für Agenten bei deren Einreise nach Deutschland.
	        
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