Kriegsvorbereitung 31
zeigt, in welchem erschreckenden Umfang es gelungen war, unter der
deutschen Bevölkerung Fuß zu fassen, und wie besonders die Elsaß-
Lothringer die französische Spionage unterstützt haben. Wenn die Zu-
sammenstellung nur wenig neutrale Ausländer anführt, so liegt das
daran, daß diese sich der deutschen Beobachtung am leichtesten entziehen
konnten.
Frankreich steht mit 74 Fällen obenan. Diese hohe Zahl ist besonders
beachtenswert, weil der französische Nachrichtendienst der gewiegteste
war und es dennoch gelang, ihm in so hoher Jahl seine Betätigung nach-
zuweisen. Rußland mit seinem plumpen Nachrichtendienst erreichte noch
nicht die Hälfte! Bei großen Unternehmungen kam die ganze Schulung
des französischen Nachrichtendienstes zur Geltung. Einzelne Fälle aus
dem russisch-französischen Nachrichtendienst, die restlos aufgedeckt und
gerichtlich geahndet werden konnten, seien angeführt:
Im Jahre 1912, als der russische Nachrichtendienst seine Anstren-
gungen gegen die deutschen Ostfestungen vermehrte, wurde der erste
Schreiber des Gouvernements der Festung Thorn zum Schutz der
geheimen Pläne und Schriftstücke im Dienstgebäude des Gouvernements
untergebracht. Es dauerte nicht lange, daß die russische Spionage dies
festgestellt hatte. Die Nachrichtenabteilung beim Generalgouvernement
in Warschau unter dem besonders tatkräftigen und erfolgreichen General-
stabsobersten Batjuschin brachte es fertig, den zur Aufsicht bestimmten
Schreiber in ihren Dienst zu bekommen. Mit photographischen Apparaten
ausgestattet, lieferte er ihr alles, was ihm zugänglich war. Oberst Bat-
juschin scheute sich nicht, zu persönlicher Instruktion nach Thorn und
auch nach Breslau zu kommen, wo er gleichfalls einen Schreiber der
Festung in seinem Dienst hatte. Dem Verräter in Thorn wurde eine
Reise zwecks Ablieferung seines Materials nach Warschau und Paris
durch Osterreich-Ungarn und die Schweiz zum Verhängnis. Auf dem
Rückwege von Paris wurde er in Deutschland verhaftet und zur Höchst-
strafe von 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Die russischen Geldmittel,
die bei ihm vorgefunden wurden, waren verhältnsimäßig gering, die
französischen erheblich.
Anfang 1914 kam nach Berlin ein Brief mit postlagernder Adresse
„Nicetas-Wien“ zurück, der nicht abgeholt worden war. Er wurde ge-
öffnet. Er enthielt russisches Geld. Sein Inhalt ließ erkennen, daß
dieses für landesverräterische Zwecke bestimmt war. Der österreichische