Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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jetzt von rechts und links Gefahr über Gefahr, Unglück über Unglück 
hereinbrechen. Die süße Hoffnung, Deutschland recht bald entkräftet 
zu seinen Füßen liegen zu sehen, hatte sich wie eine Seifenblase in 
nichts aufgelöst. Am Leibe krank, umklammerte zugleich seinen Geist 
Trübsinn wie ein peinigender Alp. Herzog Alba, der dem Kaiser 
immer als Rathgeber zur Seite stand, wußte ebenfalls nicht wo aus, 
wo ein. Flucht von Innsbruck bei Nacht und Nebel wurde als das 
einzige Rettungsmittel erkannt. Niemand in Innsbruck sollte etwas 
von der Flucht ahnen; nur einige Vertraute wurden in das Geheim— 
niß eingeweiht. Das gewöhnliche Thun und Treiben an des Kaisers 
Hofe durfte deshalb nicht die geringste Veränderung erleiden und 
selbst die unteren Diener sollten so lange wie möglich nichts von der 
Flucht ahnen, weshalb einer der Kammerdiener im Bette des Kaisers 
schlafen mußte. Verkleidet und auf einem sogenannten „Hobelwagen“ 
sitzend, verließ Karl in aller Stille mit einem Vertrauten die Stadt, 
kehrte aber, entweder von neuen Siegesnachrichten des Kurfürsten in 
Furcht gejagt, oder meinend, erkannt worden zu sein, nach Inns- 
bruck zurück. 
c) Moritz gewinnt die Ehrenberger Klause und zieht in Innsbruck ein. 
Wie auf Sturmesflügeln erschien Moritzens Heer an Tyrols 
Grenze. Hier starrte die stark befestigte Ehrenberger Klause mit 
ihren gewaltigen Blockhäusern den Verbündeten trotzend entgegen und 
bewachte den Eingang nach Tyrol. Noch niemand hatte sie besiegt; 
sie galt für unüberwindlich. Sollte ihrem Ruhme auch fernerhin 
diese alte Glorie erhalten werden? Wir wollen sehen. Der 19. Mai 
war der Tag, an welchem die alte Klause die Feuerprobe bestehen 
sollte. Wie ein Orkan, dem zu widerstehen nichts im Stande ist, 
stürmte Moritz mit seinen Truppen gegen die am Fuße der Burg 
gelegenen Schanzen, bemeisterte sich ihrer und richtete nun das er— 
beutete Geschütz gegen „die Pforten und Mauern der Klause“ selbst. 
Eine Truppenabtheilung erklimmte — was man für ganz unmöglich 
hielt — den schnellfüßigen Gemsen gleich, eine Anhöhe der Klause, 
überrumpelte einige Schanzen und hatte, ohne die überraschten Sol— 
daten erst zur Besinnung kommen zu lassen, die Besatzung in ihrer 
Gewalt. Schrecken und Angst ergriff die Besatzung der eigentlichen 
Klause; jeden weiteren Widerstand hielt man für erfolglos und noch 
an demselben Tage ergab sich das für unbezwingbar gehaltene Boll— 
werk Tyrols. 
Welche Gefühle mochten Moritzens Heldenbrust erfüllen, als 
auf den Zinnen dieses berühmten Tyroler Thores die sächsischen 
Fahnen wehten! Ein Schrei des Entsetzens durchgellte Innsbrucks 
Mauern, als auf Sturmesflügeln die Kunde dahin gelangte: „Die
	        
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