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übrigen Europa und vorher in Asien Millionen von Menschen weg—
gerafft hatte. Eine Krankheit so furchtbarer Art ist zwar seit jener
Zeit nicht wieder über die Menschheit gekommen, aber ansteckende
Krankheiten, die man mit dem allgemeinen Namen Pest bezeichnete,
sind nach jener Zeit noch oft ausgebrochen.
Vor 400 und 300 Jahren, also im 15. und 16. Jahrhunderte,
drang die Pest wiederholt, namentlich von Böhmen her, in Sachsen
ein und suchte besonders die größeren Städte heim; z. B. Leipzig,
Freiberg, Chemnitz, Annaberg, Zwickau, Dresden 2c. Zuweilen trat
sie hier, besonders in Leipzig, so verheerend auf, daß ganze Straßen
entvölkert wurden. Was geschah, um die Verheerungen der Seuche
zu dämpfen? Man überwachte sorgfältig die einkehrenden Fremden
und drang auf größere Reinlichkeit auf den Straßen. „Den Abgängen
in der Küche“ und anderen „Unsauberkeiten", die früher die Straßen
verunzierten, sollten andere Plätze angewiesen werden, um die Gefahr
nicht durch „Unreinigkeiten“ zu vermehren. Kleidungsstücke und
Geräthschaften der an der Pest Verstorbenen durften nicht vertheilt,
sondern mußten außerhalb der Stadt gereinigt und ein halbes Jahr
hindurch der Luft und der Sonne ausgesetzt werden. Ebenso mußten
Schuhmacher, Kürschner, Seifensieder 2c. ihre „Schwärze und Beize“
vor der Stadt zurichten. Bei der Feuerung durfte man keine Stein-
kohlen benutzen, Pflaumen und Haselnüsse durften nicht zum Verkauf
in die Stadt gebracht werden. Diejenigen Häuser, welche die Pest
heimsuchte, wurden abgesperrt; im Jahre 1540 wurden sogar die
Eingänge zur Scheffelgasse in Dresden, weil sie fast ganz ausgestorben,
vernagelt und nur diejenigen hineingelassen, welche ihr Amt zu den
Kranken führte. Pestleichen wurden nur früh oder abends beerdigt
und die Begleitung mußte sich 5 bis 6 Häuser von dem Leichenhause
entfernt aufstellen.
Zwar reichte man den Armen die Arznei umsonst und nur die
Wohlhabenden hatten eine „leidliche Bezahlung“ zu entrichten; indes
war damals die Arzneiwissenschaft bei weitem nicht so ausgebildet
wie gegenwärtig. Außerdem war auch noch Mangel an Apo-
theken vorhanden und bis vor 350 Jahren standen die Apotheken
unter keiner besonderen Aufsicht. Um das Jahr 1550 wurde es in
dieser Hinsicht viel besser. Die Noth ließ neue Apotheken entstehen
und die Obrigkeit stellte die Preise der Arzneimittel fest. In Dres-
den wohnte damals ein weiblicher Arzt, welcher sich sehr angelegent-
lich mit der Kenntniß der Krankheiten beschäftigte, welcher sich allerlei
Recepte gegen die verschiedenartigsten Krankheiten gesammelt hatte
und welcher Hohen und Niedrigen, Reichen und Armen in Dresden
und im ganzen Lande, ja weit über Sachsen hinaus, Arzneien zu-
sendete. Und dieser Arzt war niemand anders, als Mutter Anna.
Namentlich empfahl sie ein wirksames Schutzmittel gegen die Pest und