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theils Bergleute waren, gut zu sein und wollten hier für sich und
ihre Kinder Hütten bauen. Noch fehlte ihnen die Erlaubniß des
neuen Landesherrn, und siehe da, es wurde ihnen mehr gewährt, als
sie gebeten hatten. Johann Georg IJ. schenkte ihnen ein Stück Wald,
den sie ausrotten und auf dessen Grund und Boden sie eine Stadt
errichten könnten. Da vergaß man die Trübsal der vorigen Zeiten.
Hunderte alter Bäume brachen krachend zusammen — da, wo der
Marktplatz entstand, allein 1700 —, in der Erde weitverzweigte
Stöcke wurden ausgerottet und (am 10. Mai) 1654 setzte man einem
Hause am Markte die erste Thürschwelle ein. Die neue Stadt, den
Namen Johanngeorgenstadt führend und die jüngste im Erzgebirge,
hatte anfangs nur sehr bescheidene Häuser, erhielt aber im Laufe der Zeit
ein recht stattliches Ansehen und zählt gegenwärtig 4500 Einwohner.
Bei der 200jährigen Jubelfeier der Gründung dieser Stadt
errichtete die dankbare Nachwelt dem Kurfürsten Johann Georg I. auf
dem Markte ein aus Postelwitzer Sandstein gefertigtes Standbild.
Gleiche freundliche Aufnahme fanden auch die späteren böhmischen
Einwanderer unter Johann Georg II., welche an der sächsisch-böhmischen
Grenze entlang entweder die bereits bestehenden Ortschaften vergrößerten
(z. B. Klingenthal), oder den Grund zur Entstehung neuer legten.
Eine Anzahl Dörfer mit dem Bestimmungsworte „Neu“ und „Deutsch“
erinnert an jene Zeit, z. B. Ober= und Nieder-Neuschönfeld bei Olbern-
hau, Deutschkatharinenberg 2c., ferner entstand Georgenthal 2c.)
Außerdem war Johann Georg II. bemüht, die äußeren Spuren,
welche die Kriegsverheerungen zurückgelassen hatten, verschwinden zu
machen. So wurden z. B. die zerstörten Stadtmauern in Leipzig, Frei-
berg, Chemnitz, Zwickau r2c. wieder aufgeführt, eingeschossene Thürme
wieder errichtet und die Meißener Brücke wieder hergestellt.
Obgleich, wie wir später sehen werden, Johann Georg II. großes
Vergnügen an kostspieligen Hoffesten, großartigen Jagden und an
glanzvollem Militär fand, so muß ihm doch nachgerühmt werden,
daß er sich der Regierungsgeschäfte mit Gewissenhaftigkeit unterzog.
Während seiner Regierung erließ er 260 Gesetze. Da unter seiner
Regierung die Waffen ruhten, so konnte sich der Feldbau schnell wieder
heben. Namentlich blühte der Obst= und Gartenbau so vorzüglich,
daß man weit und breit die feinen Obstsorten Sachsens rühmte. Der
Kurfürst suchte ferner den herabgekommenen Handel, das Gewerbs-
*) Die oft zu lesende Behauptung, daß böhmische Einwanderer das
„Bässe= und Geigenmachen“ in Markneukirchen eingeführt hätten, ist un-
historisch, denn schon Vater August gab auf ein Bittschreiben, in welchem
die Instrumentenmacher dieses Ortes um eine gewisse Erleichterung nachgesucht
hatten, die scherzhafte Antwort: „Wir wollen es den Leuten nicht abschlagen,
denn wenn die auf ihren Geigeln und Pfeifeln darüber zu lamentiren anfingen,
so müßte wohl die Hälfte unsers Voigtlandes vor Angst davon laufen.“