— 284 —
nehmer nicht fehlen; manche versahen sich mit Vorräthen von Citronen
und Orangen und warfen sie den Zuschauern in die offenen Fenster.
Diesen Aufzügen schlossen sich Festlichkeiten aller Art an. Man ver—
anstaltete auf dem Schloßhofe Schweinehetzen und Fuchsprellen, wobei
oft über 200 dieser Thiere ihren Tod fanden; ferner Thierkämpfe, bei
denen Löwen, Tiger, Leoparden, Auerochsen, Wölfe, wilde Pferde,
indianische Katzen auftraten. Ebenso wurden glanzvolle Jahrmärkte ge-
halten, bei welchen die hohen Herrschaften die Stelle der Verkäufer und
Verkäuferinnen übernahmen. Den Bauernaufzug schloß meistentheils
eine Bauernwirthschaft, wobei der Kurfürst die Rolle eines Kellners
versah und seine vornehmen Gäste in eigener Person bewirthete.
Das Prachtvollste, was je gesehen worden ist, ward 1719 bei
der Vermählung des Kurprinzen mit der kaiserlichen Prinzessin
Marie Josephe von Oesterreich veranstaltet. „Die Prinzessin Braut
kam von Pirna auf einem ihr entgegengeschickten Prachtschiffe, dessen
Vergoldung allein 18 000 M. kostete, welches 100 vergoldete Gon-
deln und 15 holländische Bachten umgaben. Alle Matrosen waren in
Atlas gekleidet und trugen weißseidene Strümpfe. Kurfürst Friedrich
August, mit Edelsteinen im Werthe von 6 Millionen Mark bedeckt,
empfing in der Nähe der Stadt seine Schwiegertochter, wobei ihn
1909 Adelige und Hofbediente umgaben. In dem Zuge sah man
unter anderem 106 sechsspännige Staatswagen, 286 Handpferde,
52 Maulthiere, 25 Mohren in weißem Atlas mit scharlachnen Talaren,
44 Generale 2c. Der Bräutigam erschien zu Pferde in Purpur ge-
kleidet, mit reichem Diamantschmuck. 330 Kanonenschüsse brachten
den Bewillkommnungsgruß.“ Was ließe sich nicht noch alles sagen
über die Festlichkeiten, welche sich diesem Einzuge anschlossen: über
die glanzvollen Opern, Bälle, Ringelrennen, Turniere zu Roß und
Fuß, über ein Türkenfest, wobei 350 Janitscharen aufwarteten,
über einen Jahrmarkt, bei dem die Käufer und Verkäufer in Masken,
die verschiedenen Völkerstämme Europas darstellend, erschienen, über
einen der großartigsten Götteraufzüge, vor allem aber über das „be-
rühmte bergmännische Fest im Plauenschen Grunde, wo unter anderen
ein Tempel neben zwei feuerspeienden Bergen gebaut war, aus
welchen 2000 Bergleute mit Grubengeschenken für das junge Ehe-
paar hervorkamen.“ Dies alles übergehen wir. Der Glanz und
Schimmer jener Tage ist längst verblichen und ihre Theilnehmer sind
Asche und Staub. — König Johann verschaffte bei dem Einzuge
seiner beiden Schwiegertöchter, der jetzigen Königin und der Prinzessin
Georg, den Armen durch eine reiche Spende einen fröhlichen Tag,
fühlte sich glücklich durch den herzlichen Empfang, welcher den hohen
Bräuten durch die Bevölkerung bereitet wurde und begnügte sich mit
Veranstaltung einiger Festlichkeiten, die vielleicht nicht den tausendsten
Theil jener Summen in Anspruch nahmen.