Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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ihrer Trübsal besuchte, daß man die Armen unterstützte, die Noth 
der Abgebrannten linderte, und sich ganz besonders der um ihres 
Glaubens willen verfolgten evangelischen Mitbrüder annahm. Daß 
übrigens die Jetztzeit im Wohlthun jener Zeit nicht nachsteht, beweist 
die erfreuliche Thatsache, daß unser Vaterland (natürlich verhältniß- 
mäßig) die meisten Wohlthätigkeitsanstalten in ganz Europa zählt. 
So streng wie die Landleute und der mittlere und niedere 
Bürgerstand auf die von ihren Vätern ererbten Sitten hielten, ebenso 
beharrlich wurden bei den Innungen die Gebräuche aufrecht er- 
halten, die ihnen im Laufe der Zeit werth und theuer geworden waren. 
Da zogen z. B. unter klingendem Spiel die Schmiedegesellen mit 
ihrer Handwerkslade, mit silbernen Kannen, mit Pokalen und Gläsern 
paarweise durch die Stadt. Ein andermal erblickte man einen langen 
Zug von Tischlergesellen, mit Degen an der Seite und mit bunt- 
gefärbten Büscheln von Hobelspänen auf dem Hute. — Erschienen 
die Bäckergesellen in Aufzügen, dann gab es für die zahlreichen Zu- 
schauer noch mehr Unterhaltung. Den Zug eröffneten gewöhnlich 
Müllerburschen mit Mühläxten, dann folgte eine Art Possenreißer, 
welche Citronen in die Luft warfen und mit einer Degenspitze auf- 
fingen, während andere Pistolen abschossen oder die Fahnen kunstvoll 
schwenkten. Mit gewichtiger Miene trugen wieder andere Riesen- 
butterzöpfe, oft von 2 m Länge, auf ihren Schultern.') Außerdem 
wurden dergleichen Aufzüge auch noch durch Musik belebt. — Wollte 
man bei besonderen Festlichkeiten der Bevölkerung eine Unterhaltung 
verschaffen, dann gab man ihr zuweilen einen ganz gebratenen Ochsen 
zum besten, errichtete auf öffentlichen Plätzen Springbrunnen, aus 
deren Röhren Wein strömte u. dergl. — Unsere Zeit weiß von der- 
artigen Sitten und Gebräuchen fast gar nichts mehr. Die Volks- 
vergnügungen sind jetzt anderer Art. Leider kann man nicht behaupten, 
daß sich dieselben immer veredelt hätten. 
Das vielbewegte Leben Friedrich Augusts ging seinem 
Ende schneller entgegen, als man bei seinem kräftigen und gesunden 
Körperbau erwarten konnte. Schon im Jahre 1727, also im 57. 
Lebensjahre, erkrankte er auf einer Reise nach Warschau so bedenklich, 
daß für sein Leben alles zu fürchten war. An seinem linken Beine 
brach nämlich eine gefährliche Entzündung aus, welche in Brand 
*) Daß den Bäckern besondere Freiheiten gestattet waren, soll nach einer 
Sage auf Folgendem beruhen. Im Jahre 1529 belagerten 150 000 Türken 
unter Anführung ihres Sultans, Soliman II., Wien. Um die Stadt in 
die Luft zu sprengen, wurden Minen angelegt. Ein Weißbäcker hörte in 
einem Keller die Minirer arbeiten und zeigte die gemachte Wahrnehmung 
sogleich an; sofort wurde entgegengegraben und die der Stadt bereitete Gefahr 
glücklicherweise abgewendet. Kaiser Karl V. soll hierauf aus Dankbarkeit 
den Bäckern die Rechte bei ihren Aufzügen erweitert haben.
	        
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