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Anstalten zum Rückzuge träfen. So wurde Friedrich diesmal in der
Schlinge, die er anderen gelegt, selbst gefangen. /
Am 13. Oktober nach Sonnenuntergang, als der Schleier der
Finsterniß die Erde deckte, begann sich's im Lager der Oesterreicher zu
regen. Möglichst geräuschlos ordneten sich die Kolonnen, um, des
Winkes ihrer Anführer gewärtig, einzubrechen in die Reihen ihrer
sorglos schlummernden Gegner. Sorgfältig wurden die Wachtfeuer
unterhalten, und unausgesetzt mußten die Arbeiter mit Fällen der
Bäume fortfahren, ihre fröhlichen Lieder dazu singend. Die öster—
reichischen Grenadiere setzten sich hinter den Kürassieren auf und
näherten sich behutsam dem preußischen Lager.
Den preußischen Feldposten entging diese Bewegung im feind-
lichen Lager nicht und sie machten von ihren Wahrnehmungen Mel-
dung. Augenblicklich weckten die Generale Seidlitz und Ziethen den
König, allein dieser fand in diesen Bewegungen nichts Besonderes.
Zwar mußte die Kavallerie satteln und einige Bataillone mußten ins
Gewehr treten, allein gegen Morgen hob man diesen Befehl wieder
auf, und der unterbrochene Schlaf ward sorglos fortgesetzt. Fast
schien es, als hätte die auf der Erde ruhende Finsterniß diesmal den
sonst so klaren Geist Friedrichs umlagert. Wie furchtbar war das
Erwachen aus dieser unerklärlichen Sicherheit!
Wie angeordnet, hatten sich die Oesterreicher auf den ihnen be-
zeichneten Standorten eingefunden. In dumpfen Schlägen verkündete
die Hochkirchener Thurmglocke die 5. Morgenstunde des 14. Oktobers.
Kanonendonner und das Knattern der Musketen waren die Weck-
stimmen der sorglos Schlafenden. Drei Grenadierbataillone fuhren
erschreckt zuerst von ihrem Lager auf. Halb nackt griff jeder in seiner
Angst nach dem Gewehr, nicht wissend, ob es das seinige oder das
seines Kameraden sei. In kurzer Zeit herrschte im ganzen Lager ein
Drängen und Wogen durcheinander. In Sturmeseile bemächtigten
sich die Oesterreicher der großen Schanze am Eingange des Dorfes,
kehrten die eroberten Geschütze um und schleuderten aus ihren Schlünden
Tod und Verderben in die Reihen der Ueberfallenen. Kaum aus
dem Schlafe erwacht, versanken viele, ohne zum völligen Bewußtsein
zu gelangen, in ihren Zelten in den kalten Todesschlaf. Am furcht-
barsten war das Blutbad, welches in dem Hauptsammelplatze der
Preußen — in der Hauptgasse des Dorfes — angerichtet ward.
Diese Blutscenen deckte noch die Nacht mit einem dichten Schleier.
Freund und Feind vermochte das Auge nicht zu unterscheiden. Der
Oesterreicher griff nach der Blechmütze, der Preuße nach der Bären-
mütze, das Merkmal, an welchem man den Gegner erkannte.
Auf einmal wirbelten hohe Feuersäulen zum Himmel empor
und erleuchteten die grausenerregenden Scenen. Hochkirchs unglück-
liche Bewohner sahen ihr Hab und Gut in Flammen aufgehen. Die
Geschichte Sachsens. 21