Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

— 345 — 
kehrte. Von den Stammschäfereien auf den kurfürstlichen Vorwerken, 
zu denen noch Lohmen und Rennersdorf gekommen waren, verpflanzte 
man die Merinos zunächst auf die kurfürstlichen Kammergüter und 
dann auf die Ritter- und größeren Bauerngüter. 
Da die Abwartung und Pflege des an sich schwächlichen Schafes 
einer besonderen Sorgfalt und Kenntniß bedarf, so wurde sogar 1769 
in Hohnstein eine besondere Schäferschule errichtet, wo jedesmal 
sechs Burschen die Pflege der Schafzucht nach spanischer Art und Weise 
erlernen konnten. 
Im Laufe der Zeit hatte sich die veredelte Schafzucht fast über 
das ganze Land verbreitet, und die sächsische Wolle errang sich durch 
ihre Güte solch eine Berühmtheit, daß sie sogar der spanischen vor— 
gezogen ward. Da man früher in unserer deutschen Sprache nur 
zu gern fremde Wörter einschob, so gebrauchte man auch zur Be— 
zeichnung der sächsischen veredelten Wolle ein lateinisches Wort und 
nannte sie Electoral-Wolle (kurfürstliche [sächsische] Wolle). Von 
Sachsen aus verbreitete sich die veredelte Schafzucht nach anderen 
europäischen, sogar außereuropäischen Ländern. Nicht blos Preußen 
und Rußland, sondern sogar Buenos-Ayres in Südamerika und 
Van Diemensland im südlichen Australien ließen sich sächsische Schafe 
schicken. Was aber das höchste Lob für das glückliche Gedeihen der 
Schafzucht in Sachsen bleibt, ist die Thatsache, daß sich Spanien zur 
Veredlung seiner Schafe sächsische Schafe kommen ließ. 
Zwar nicht an Güte, wohl aber an Umfang ist die Schafzucht 
in unserm Vaterlande bedeutend zurückgegangen. Früher hielt sich 
jeder Rittergutsbesitzer und fast jeder große Bauer seine Herde Schafe, 
so daß Sachsen im Verhältniß zu seiner Größe die meisten Schafe 
in allen europäischen Ländern besaß. In Leipzig allein kamen oft 
14 000 Centner Wolle auf den Markt, die eine Verkaufssumme von 
4 Millionen Mark ergaben. Das jetzige Königreich Sachsen zählt 
ungefähr 336 000 Schafe. Jetzt verursacht die Erhaltung der Schafe 
einen weit größeren Aufwand, als früher. Bis vor ungefähr 35 Jahren 
ließ man die Felder nach mehrjähriger Benutzung gewöhnlich ein Jahr 
brach liegen und gewann dadurch Weideplätze für die Schafe. Außerdem 
gab es früher größere Strecken unbebautes Land (Lehden), als jetzt, 
die ebenfalls von den Schafen begangen wurden. In neuerer Zeit 
wird der Feldbau mit weit größerer Sorgfalt betrieben und ist 
in Folge dessen weit ausgiebiger. Brach läßt man die Felder nicht 
mehr liegen, und Lehden schafft man, wenn irgend möglich, in trag- 
bares Land um. Außerdem haben die Rittergutsbesitzer die Hut- 
gerechtigkeit oder das Recht, ihre Schafe auf eines Andern Grund 
und Boden weiden zu lassen, durch Ablösung verloren, und dieser, 
sowie jener Umstand erschweren die Erhaltung der Schafe und machen 
die weit kostspieligere Stallfütterung nothwendig.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.