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wozu auch noch die jetzige Provinz Hessen gehörte. Im Jahre 1247
starb die Regentenfamilie mit dem Landgrafen Heinrich Raspe
aus und Markgraf Heinrich machte nun Ansprüche auf diese Länder.
Hierzu hatte er auch ein Recht. Seine Mutter Jutta war eine
thüringische Prinzessin und der Kaiser hatte ihm, mit Zustimmung
der Landgrafen, diese Länder zugesprochen, sobald die männliche
Linie der thüringischen Landgrafen aussterben sollte. Dies geschah,
wie erwähnt, im Jahre 1247. Heinrich nahm diese Länder so-
gleich als rechtmäßiger Erbe in Besitz; allein er stieß sehr bald
auf große Schwierigkeiten. Es meldeten sich nämlich noch andere
Erben. Zu diesen gehörte besonders eine nahe Verwandte der
ausgestorbenen Landgrafen, die Herzogin Sophie von Brabant.
Zwar verlangte sie Thüringen und Hessen nicht für sich, wohl aber
für ihren dreijährigen Sohn, der gewöhnlich wegen seiner Jugend
Heinrich „das Kind“" genannt wird. Manche der Grafen und
Herren des Thüringer= und Hessenlandes entschieden sich für Heinrich,
manche für Sophie. Auf friedlichem Wege war demnach der Streit
nicht mehr zu schlichten. Es entstand ein Krieg, der neun Jahre lang
Thüringen und Hessen verwüstete und welcher der thüringische Erb-
folgekrieg genannt wird.
In diesem Kriege zeigte die Herzogin Sophie eine außerordent-
liche Entschiedenheit und einen Muth wie der tapferste Feldherr.
Wie viel Entschlossenheit oft zu bewirken vermag, lehrt uns z. B.
das Verhalten dieser Herzogin gegen die Stadt Eisenach. Die Bürger
derselben waren früher der Herzogin ergeben gewesen, hatten sich
aber dann für den Markgrafen Heinrich entschieden. Kaum brachte sie
dies in Erfahrung, so eilte sie mit ihrem Heere herbei, fand aber die
Stadtthore verschlossen. Ihre Forderung, dieselben zu öffnen, fand
kein Gehör. Von Zorn erfüllt, stieß sie mit aller Gewalt gegen das
Thor; allein vergeblich. Das Thor wurde nicht geöffnet. Da er-
griff sie eine gewaltige Axt und schwang dieselbe mit ihren zarten
Händen so furchtbar gegen das Thor, daß dasselbe dumpf erdröhnte
und die Axt tief in das Eichenholz einschnitt. Dies wirkte. Unver-
weilt öffneten die erschrockenen Bürger das Thor und empfingen die
muthige Herzogin mit Jubel. Lange vermochte indes Sophie die
Stadt nicht zu behaupten. Markgraf Heinrich erschien in einer
stürmischen Winternacht mit seinen Mannen vor Eisenach und un-
geachtet der tapfersten Gegenwehr fiel die Stadt doch sehr bald in
seine Hände.
Von nun an sollten die Waffen ruhen. Sophie hatte sich ein
anderes Mittel ersonnen, das ihr, wie sie hoffte, den Besitz jener
beiden Länder verschaffen werde. Sie schlug dem Markgrafen vor,
er und zwanzig thüringische Ritter sollten öffentlich beschwören, daß
sie der Ueberzeugung wären, Markgraf Heinrich habe ein größeres