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Recht auf Thüringen, als ihr Sohn. Fänden sich zwanzig Ritter
zur Leistung dieses Eides bereit, dann wollte sie ohne Weiteres auf
Thüringen verzichten. Dieser Vorschlag war, wie Sophie meinte,
höchst klug berechnet. Sie hoffte nämlich, daß die Mehrzahl der
thüringischen Ritter zu ihr stände und daß sich der Markgraf ver-
geblich nach zwanzig ihm ergebenen Rittern umthun werde.
Heinrich ging getrosten Muthes auf den Vorschlag ein. Man
einigte sich über Zeit und Ort und bestimmte zu letzterem eine Kirche
zu Eisenach. Der feierliche Tag erschien. Beide Theile fanden
sich ein. Feierliche Stille herrschte in dem Gotteshause, und um die
heilige Handlung noch mehr zu erhöhen, hatte Sophie eine Rippe
ihrer verstorbenen Mutter mitgebracht. Ein Geistlicher mußte sie
auf den Altar legen und Markgraf Heinrich sollte sie beim Schwören
mit seiner Hand berühren. Mit der Zuversicht eines guten Gewissens
näherte sich der Markgraf dem Altare, legte seine Hand auf die in
weiße Leinwand geschlagene Rippe und schwur mit lauter, fester
Stimme, daß ihm die Landgrafschaft Thüringen von Gott und
Rechtswegen gehöre. Hierauf näherte sich dem Altare ein Ritter
nach dem anderen und nicht weniger als zwanzig schwuren mit gleicher
Zuversicht wie der Markgraf, daß sie der Ueberzeugung lebten, Mark-
graf Heinrich von Meißen sei der rechtmäßige Erbe Thüringens.
Mit steigender Unruhe begleitete die Herzogin Sophie im Geiste
einen Ritter nach dem anderen zum Altare, und als zu ihrem Ent-
setzen auch der zwanzigste geschworen hatte, erhob sie sich von ihrem
Sitz, schlug die Hände über dem Kopfe zusammen, zerriß ihre Hand-
schuhe und behauptete zum Erstaunen aller Anwesenden, daß ihr und
ihrem Sohne das größte Unrecht geschehen sei. Von dem früher
gegebenen Versprechen wollte sie nichts mehr wissen. Sie erneuerte
ihre Ansprüche auf Thüringen, und da Markgraf Heinrich nicht auf-
geben konnte, was ihm die Landgrafen Thüringens und der Kaiser
als rechtmäßiges Erbe zugesprochen hatten, so wurde der blutige
Krieg fortgesetzt. Endlich ließ man sie ruhen, die verheerenden
Waffen. Man schloß im Jahre 1264 Friede und es kam fol-
gender Vergleich zu Stande:
Thüringen und Hessen werden von nun an getrennt. Jenes
fällt als Erbe dem Markgrafen von Meißen und dieses dem Herzoge
von Brabant, Heinrich I. oder dem Kinde, anheim. So war denn,
wenn auch nach schwerem Kampfe, mit Meißen eines der schönsten
und fruchtbarsten Länder Deutschlonds vereinigt und Markgraf und
Landgraf Heinrich hatte sich zu dem mächtigsten Fürsten Deutsch-
lands emporgeschwungen.
Erfreut über den nun beendigten Kampf veranstaltete der reiche
Mark= und Landgraf seinen Rittern ein prachtvolles Kampfspiel oder
ein Turnier. Zum Kampfplatze wählte er einen großen Garten in