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könnten, der König von Sachsen müsse seinem Lande wiedergegeben
werden.
Alles blieb umsonst. Rußland und Preußen verharrten bei
ihren Forderungen. Da nahm der Gang der Verhandlungen eine
sehr ernste Gestalt an: Frankreich, England und Oesterreich schlossen
gegen Rußland und Preußen im Stillen ein Bündniß. Die, welche
vereint gegen Frankreich gekämpft, schienen in kurzem ihre Waffen
gegen einander führen zu wollen. Da kam man noch zu guter Stunde
zu der Einsicht, wie traurig es sei, solch ein Schauspiel vor Europa
aufzuführen. Rußlands Kaiser reichte zuerst die Hand zur Ver-
mittelung: er verzichtete auf einen Theil Polens (Posen), den er
Preußen als Entschädigung überlassen wolle. Dieser Vorschlag ver-
anlaßte den König von Preußen zu der Erklärung, daß er in diesem
Falle zufrieden sei, wenn ihm ⅜/ von der Volksmenge Sachsens
zufalle.
Unser König war bis jetzt bei diesen Verhandlungen weder gehört,
noch befragt worden. Nach einem längeren Aufenthalte in Berlin
wurde ihm das Schloß Friedrichsfelde in der Nähe dieser Residenz
angewiesen. Nachdem Preußens Theilungsvorschläge der Hauptsache
nach in Wien Annahme gefunden hatten, konnte sich unser König
anfangs nach Brünn in Mähren und dann nach Preßburg in Ungarn
begeben. Hier begann man mit ihm wegen Theilung seines Landes
persönlich zu unterhandeln. Mit aller Entschiedenheit verwarf er
alle ihm gemachten Vorschläge und protestirte vor ganz Europa gegen
die Gewalt, die man über ihn verhängen wolle. Er sei, hob er hervor,
der erste Fürst des Rheinbundes gewesen, der seine Truppen von der
französischen Armee zurückgezogen habe; er sei wegen der Lage seines
Landes später gar nicht im Stande gewesen, sich anders zu entscheiden,
als er sich entschieden habe; man könne nicht über die Rechte eines
andern entscheiden, ohne ihn vorher selbst gehört zu haben; man
könne doch unmöglich die feierliche Zusage brechen, die man bei Er-
öffnung des Krieges vor der ganzen Welt gegeben, daß man nicht
ausziehen wolle zu erobern.
Mit dieser Erklärung kehrten die Gesandten (Metternich,
Wellington und Talleyrand) nach Wien zurück, da lief auf einmal — es
war am 7. März — die Nachricht in Wien ein, Napoleon sei in
Frankreich gelandet. Dies war ein Donnerschlag aus heiterer Luft.
Napoleon wurde nämlich durch seine Anhänger von dem kleinsten
Vorgange in Wien unterrichtet. Er kannte die Zerwürfnisse wegen
Sachsens Schicksal ganz genau und wußte auch, daß deshalb sogar
ein Krieg im Schoße der Verbündeten auszubrechen drohe. Diese
Zustände wollte Napoleon zu seinen Gunsten ausbeuten und den
verlorenen Kaiserthron wieder an sich reißen. Soviel muß man diesem
Manne unbestritten lassen, daß er eine unwiderstehliche Gewalt auf