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fluß auf die Eutscheidung auszuüben hat 2c. — ferner, daß niemand ohne
gesetzlichen Grund verhaftet, bestraft und über 24 Stunden über die Ursache
seiner Verhaftung in Ungewißheit gelassen werden darf, und daß dem Könige
das Begnadigungsrecht zusteht, d. h. daß er zuerkannte Strafen vermindern
oder gänzlich erlassen kann.
Der sechste Hauptabschnitt, welcher von den Kirchen,
Unterrichtsanstalten und milden Stiftungen handelt, untersagt
die Errichtung neuer Klöster, wie auch die Aufnahme von Jesuiten oder
anderen geistlichen Orden und stellt die geistlichen Behörden aller Con-
fessionen unter die Oberaufsicht des Cultusministeriums.
Der siebente Hauptabschnitt handelt von der Zusammen-
setzung und Wirksamkeit der Landstände. Die Ständeversammlung
zerfällt in zwei Kammern, die in ihren Rechten und Befugnissen einander
gleichstehen. Zur ersten Kammer gehören, außer den volljährigen königlichen
Prinzen, eine Anzahl stehender Mitglieder, z. B. die Besitzer der Standes-
herrschaften Wildenfels, Königsbrück, Reibersdorf, der evangelische Ober-
hofprediger, der Dekan des Domstiftes St. Petri zu Bautzen, der Superintendent
zu Leipzig, die beiden Bürgermeister von Dresden und Leipzig 2c. Außerdem
ei noch 22 Rittergutsbesitzer und 6 Bürgermeister in diese Kammer
gewählt.
Die zweite Kammer besteht aus 20 Abgeordneten der Rittergutsbesitzer,
25 der Städte, 25 des Bauernstandes und 10 Vertreter des Handels= und
Fabrikwesens. Für jedes Mitglied der zweiten Kammer wird ein Stell-
vertreter erwählt. Alle drei Jahre, am Schlusse eines ordentlichen Landtags,
tritt ungefähr ein Drittheil der Abgeordneten der zweiten Kammer aus, ist
aber wieder wählbar. Zur Theilnahme an einer auf die Ständeversammlung
sich beziehenden Wahl wird das erfüllte 25., und zur Wählbarkeit das er-
füllte 30. Altersjahr erfordert. (S. weiter unten.)
Kein Gesetz kann ohne Zustimmung der Landstände erlassen oder
abgeändert werden, sowie auch kein ständischer Beschluß ohne ausdrückliche
Bestätigung des Königs Giltigkeit hat. Der König erläßt die Gesetze, macht
sie bekannt und ertheilt die zu deren Vollziehung und Handhabung erforder-
lichen Verordnungen. Derselbe beruft längstens aller drei Jahre einen
ordentlichen Landtag ein und außerordentliche, so oft es dringende Angelegen-
heiten erfordern. Die Sitzungen beider Kammern sind öffentlich. Der König
verfügt die Eröffnung, Schließung, Vertagung des Landtags oder Auflösung
der zweiten Kammer, welche auch die Vertagung der ersten nach sich zieht;
doch darf die Vertagung nicht länger als 6 Monate dauern.
Den Präsidenten der ersten Kammer wählt der König; der Präsident
der zweiten Kammer und dessen Stellvertreter werden vom Könige aus 4 von
der Kammer vorgeschlagenen Mitgliedern gewählt.
Der achte Hauptabschnitt handelt von der Sicherstellung
der Verfassung. Bei seiner Thronbesteigung verspricht der König bei
seinem fürstlichen Worte die Beobachtung und Beschützung der Staats-
verfassung. Ebenso müssen alle, welche den Unterthanen-, den Staatsdiener-,
den Amts-Eid (z. B. Geistliche, Lehrer) leisten, die Beobachtung der Landes-
verfassung versprechen. Glauben die Landstände, daß Behörden oder die
Minister die Landesverfassung verletzt haben, so steht ihnen das Recht zu,
bei dem Könige Beschwerde zu führen oder auch die Minister zu verklagen.
Zu diesem Zwecke besteht ein Staatsgerichtshof, welcher einen Präsidenten
und 12 Richter zählt. Den Präsidenten und 6 Richter wählt der König,
während die übrigen 6 von den Landständen gewählt werden.