Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

— 448 — 
und daß noch andere sich als blinde Werkzeuge benutzen ließen, die 
von dem eigentlichen Ziele und Zwecke ihrer frevelhaften Thaten keine 
klare Vorstellung hatten. Der schwer verkannte, tieferschütterte König 
Friedrich August ließ Gnade für Recht ergehen. Von den gefällten 
Todesurtheilen bestätigte er auch nicht ein einziges. Sehr viele von 
den Eingezogenen wurden auf seinen Befehl in Freiheit gesetzt, während 
er bei anderen die ihnen zuerkannte Freiheitsstrafe abkürzte. 
Nachdem sich die Wogen der Empörung gelegt hatten und Gesetz 
und Ordnung wieder zur Geltung gelangt waren, konnte die gewaltsam 
unterbrochene Sorge für die Fortentwickelung der vaterländischen 
Verhältnisse wieder ruhig ihren Fortgang nehmen. Eine Reihe weiser 
Gesetze und heilsamer Einrichtungen folgte von Jahr zu Jahr. Die 
Scheidewand, welche gewisse eigennützige Volksführer zwischen Fürst 
und Unterthanen errichtet hatten, war wieder gefallen. Die alte 
Sachsentreue bewährte sich aufs neue in ihrem alten Glanze, und 
das Band der Liebe umschloß wie zuvor König und Volk. In 
Friedrich Augusts Gemüth schien die frühere Heiterkeit wieder heimisch 
geworden zu sein, und mit ihr erwachte zugleich auch die alte Reise— 
lust aufs neue. 
Am 2. August 1854 verließ der König mit seiner Gemahlin 
Dresden, um zunächst die in München stattfindende deutsche Industrie— 
und Kunstausstellung zu besuchen. Von München aus unternahm 
der König am 6. August einen Ausflug in die Alpenwelt des Tyroler 
Landes. Am nächsten Tage erreichte er die Gegend von Innsbruck. 
Hier lebte ein treuherziger, schlichter Priester, namens Morigl, welcher, 
mit der Umgegend genau bekannt, dem Könige zwei Jahre früher 
als Führer gedient hatte, und welcher ihn diesmal in die Silzer 
Gegend begleiten sollte. Am 7. August abends 8 Uhr erreichte man 
auf der Alpe Lisens das ersehnte Nachtquartier. Die Wanderung 
dahin war eine höchst mühsame. Die schmalen Fußpfade wurden 
immer steiler. Der niederströmende Regen sammelte sich auf des 
Königs Kopfbedeckung und bahnte sich einen Weg auf den Rücken 
hinab; aber nichts war im Stande, die Heiterkeit und die Ausdauer 
des königlichen Reisenden zu stören. 
In dem Alpenhause angelangt, begab sich der König in die Küche, 
nahm auf einer am Herde befindlichen Bank Platz und wärmte sich 
aus. Der geschäftige Senner bereitete seinem hohen Gaste ein länd- 
liches Abendbrot und richtete dabei ganz unbefangen bald diese, bald 
jene Frage an denselben. Mit der allbekannten Leutseligkeit gab ihm 
der König auf alles Bescheid und beschrieb seinem Wirthe sogar die 
Hauptpunkte der sächsischen Schweiz. 
Am 8. August ward die Reise nach Silz fortgesetzt. Wiederholt 
ließ der König seine Begleiter tiefe Blicke in sein Gemüthsleben 
werfen. Als er z. B. einige schöne Alpenblumen gepflückt hatte, sagte
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.