— 458 —
stand zugleich folgende Einrichtung in enger Verbindung. Die An-
klage wurde von dem Amte des Richters getrennt und in die Hände
eines rechtsgelehrten öffentlichen Anklägers, den Titel Staats-
anwalt führend, gelegt, welcher sein Amt im Namen der Staats-
gewalt ausübt. Ohne dessen Antrag kann in wichtigeren Sachen
von keinem Gericht ein untersuchungsmäßiges Verfahren eingeleitet
werden.
Das gerichtliche Verfahren zerfällt in: Voruntersuchung,
Anklageverfahren und Hauptverhandlung.
In der Voruntersuchung sammelt der Untersuchungsrichter Be-
weise gegen und für den Angeschuldigten und übergiebt dann die
Akten dem Staatsanwalt, welcher nach Prüfung derselben entweder
zur öffentlichen Anklage verschreitet, oder die Einstellung des weiteren
Verfahrens bei dem Bezirksgerichte beantragt. Wird für Fortsetzung
der Untersuchung entschieden, so gelangt die Anklage zur Haupt-
verhandlung, welcher jeder Erwachsene beiwohnen kann. Handelt
es sich um ein schweres Verbrechen, so wird die Klage einem
Schwurgerichte zur Entscheidung vorgelegt, welches aus drei
rechtsgelehrten Richtern und aus zwölf Geschworenen, nicht rechts-
gelehrten Männern (Laien), zusammengesetzt ist. Nach geschehener
Prüfung sprechen diese entweder das „Schuldig“ oder „Nichtschuldig“
aus. Jene drei Richter haben auf Grund des von den Geschworenen
geschehenen Ausspruches (Wahrspruches) entweder die Strafe fest-
zusetzen oder die Freisprechung zu erklären. Bei nicht zu schweren
Verbrechen entscheidet das Schöffengericht, welches ebenfalls aus
drei rechtsgelehrten Richtern, aber nur aus vier Laien, Gerichts-
schöffen genannt, gebildet ist. Das „Schuldig" oder „Nichtschuldig“
spricht bei dieser Verhandlung das gesammte Schöffengericht aus.
Wird für „Schuldig“ entschieden, so bestimmen nur die Richter die
Strafe. Sowohl die Verhandlungen des Schwur-, als auch des
Schöffengerichtes leitet ein Vorsitzender, welcher unter anderem auch
die Zeugen, das Verhör des Angeklagten, die Aussprachen des Ver-
theidigers 2c. in Gegenwart des Staatsanwaltes zu vernehmen hat.
An der Spitze der gesammten Staatsanwälte stand ein General-
staatsanwalt, welcher zunächst das ganze Verfahren überwachte.
In den Untersuchungen bei den Gerichtsämtern fand ein ab-
gekürztes Verfahren statt. Gegen die Entscheidungen derselben konnte
an das Bezirksgericht, und gegen die Entscheidung des letzteren an
das Oberappellationsgericht appellirt, d. h. es konnte darauf an-
getragen werden, daß nach vorausgegangener neuen Prüfung auch
eine neue Entscheidung getroffen wurde.
Gewerbefreiheit. Die Schmiedemeister, Schuhmachermeister
und die meisten anderen Handwerker in einer Stadt bildeten früher
eine Innung oder Zunft, so daß man z. B. von einer Schmiede-