1096
1097
14 Erstes Buch. Einleitung.
aufbewahrt. Um so wilder loderte der Zorn des eigennützigen Greises gegen
die Markgräfin auf. Hatte er durch Güte Tuszien und Spolet nicht erhalten
können, so sollte die Gewalt ihm helfen; und würden ihm wirklich diese Länder
verloren gehen, Rache wollte er unter jeder Bedingung haben. So wandte
er sich abermals an den Kaiser um Verzeihung, die ihm dieser in seiner Be-
drängnis auch gewährte, besonders da er jetzt einen etwaigen Rückfall Welfs
zur kirchlichen Partei nicht mehr zu fürchten brauchte. Und weil der Herzog
nun sogleich sehr eifrig für ihn wirkte, erteilte er ihm auch das Herzogtum
Bayern wieder.
Es schien, als ob der schlaue Mann jetzt, am Abende seines Lebens, für
seine vielen Treulosigkeiten vom Schicksal bestraft werden sollte. Eine andere,
längst als sicher gehegte Aussicht auf glänzende Machtvermehrung ging ihm
und seinem Hause zum größten Teile verloren. Sein Vater, Markgraf Azzo II.
(um 1050) hatte nach dem Tode Cunizas, der Mutter Welfs IV., als zweite Gemahlin
(1077)
(1095)
1097
1098
die Gräfin Garsenda von Maine heimgeführt, und diese hatte ihm zwei Söhne,
Folko und Ugo, geboren. Azzo, der seinen Erstgeborenen im Besitze beträcht-
licher Macht in Deutschland sah und sein Land nicht zum Anhängsel eines
fremden Gebietes bestimmen wollte, auch von väterlicher Liebe zu seinen
beiden jüngeren Söhnen geleitet und wahrscheinlich von seiner zweiten Ge-
mahlin dazu angefeuert wurde, beschloß, seine Besitzungen auf Folko und
Ugo allein zu vererben. So ließ er vom Kaiser den beiden Jüngeren das
väterliche Erbe bestätigen und übergab Folko, dem älteren von beiden, einen
Landesteil nach dem anderen. Folko nun schloß mit seinem Bruder Ugo den
Vertrag, daß Ugo nach dem Tode des Vaters die Hälfte von dessen Ländern
erhalten, dafür aber Folko als Lehnsherrn anerkennen und ihm Treue schwö-
ren solle. Zwei Jahre, nachdem diese Verabredungen festgestellt worden,
starb Azzo II. Die beiden Brüder nahmen in der vorher abgesprochenen
Weise die Provinzen des Vaters in Besitz und ließen sich solchen durch den,
jetzt den deutschen Welfen feindlichen König Konrad in vielen Privilegien
bestätigen. Aber Welf IV. war nicht gewillt, sich das reiche Erbe entreißen
zu lassen. Er erhob sogar Ansprüche auf die ganze Hinterlassenschaft Azzos,
da dieser sie seiner Mutter versprochen habe. Sogleich brach er zur Besitz-
nahme nach Italien auf. Indes die Este besetzten alle Pässe, die von Bayerm
nach Italien führten, und verhinderten ihn so, dieses Land zu betreten. Welf
dagegen verband sich mit dem Kärntner Herzoge Heinrich und dessen Bruder,
dem mächtigen Patriarchen von Aquileja, fiel mit deren Hilfe in seines Vaters
Gebiet ein und entriß nach hartem Kampfe einen Teil desselben den Händen
seiner Halbbrüder. Ein gütlicher Vergleich teilte das Gebiet so, daß die nord-
westlichen, Bayern benachbarten Länder an Welf fielen, die südöstlichen
Eigentum Folkos und Ugos blieben?).
*) Es läßt sich dies aus vielen, von Muratori (Ant. Est. I. Kap. 29 u. 32) mit-
geteilten Urkunden ersehen.