Full text: Leitfaden der Preußischen Geschichte.

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sich dennoch so tapfer schlügen, und die preußischen Offiziere hatten 
bei Jena ihren Mut durch die große Zahl der Gefallenen (270) 
bewiesen. Aber was darauf folgte, ist beispiellos und erklärt sich 
nur aus der eigentümlichen Natur des alten preußischen Staates. 
Er war einzig und allein auf die Armee gebaut, und diese zu 
blinder Subordination erzogen. Daher kam alles auf die Führer 
an. Diese aber waren nicht mit Friedrichs des Großen Bilick 
ausgewählt worden. Die wichtigsten Posten beim Heere, wie beim 
Civil, hatte der König schwachen Greisen oder unbegabten Män- 
nern gelassen, die nach der Anciennität aufgerückt waren. Eine 
andere Ursache des jähen Falles war der maßlose Hochmut der 
Betroffenen. Nicht bloß die leitende Klasse, sondern auch das 
Volk hielt die Armee für unüberwindlich und keiner Verbesserung 
bedürftig. Und doch waren die Schäden derselben sehr groß: die 
Wehrverfassung war veraltet; man brachte die Soldaten noch 
durch Fremdenwerbung und aus dem einheimischen Proletariat 
zusammen, drillte sie durch Prügel zu Ererziermaschinen, trieb 
einen pedantischen Kamaschendienst; im Felde waren die Trup- 
pen schwer bepackt und durch großen Troß gehemmt; Aus- 
rüstung und Bewaffnung waren mangelhaft, die Verpflegung 
und der Sold unzureichend. Die Offizierstellen standen fast 
nur dem Adel offen, die meisten Oberbefehlshaber waren In- 
validen. Von der neuen napoleonischen Kriegskunft verstand 
man nichts und wies zeitgemäße Neugestaltungen zurück. 
Auf den maßlosen Dünkel folgte dann als natürlicher Rück- 
schlag ein maßloser Schrecken. Den Ruin vollendete der Umstand, 
daß die Nation, gewohnt nichts ohne Kommando zu thun, dem 
Feinde keinen Widerstand entgegensetzte, da die Regierung ihr 
Ruhe befahl. Generale und Beamte, sich selbst überlassen, ver- 
zagten, und der König sah sein Heil nur noch bei den Russen, 
weil seine Generale und Beamten nichts leisteten. 
Indem aber der König über die Weichsel floh und sich unter 
den Schutz der Russen stellte, gab er selbst die großen Vertei- 
digungsmittel preis, welche noch in den deutschen Provinzen, be- 
sonders in Schlesien, vorhanden waren. Aus dem Osten seines 
Reiches konnte er wenig Kraft ziehen; denn hier war der größte 
Teil der Untertanen polnisch und daher unzuverlässig; auch fielen 
beim ersten Erscheinen Napoleons (Ende November 1806 in 
Posen) die Polen sofort diesem zu. Die Russen aber, welche in 
Friedrich Wilhelm einen König ohne Land sahen, hielten es für 
vorteilhafter, sein Interesse aufzuopfern, als (gemäß dem Vertrage 
von Bartenstein 26. April 1807) den Angriffskrieg fortzusetzen, 
zu welchem sie nicht hinlänglich gerüstet waren.
	        
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