Full text: Leitfaden der Preußischen Geschichte.

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in einer Versammlung von Notabeln (ständischen Deputierten), 
die Hardenberg 1811 einberief, gegen die Gleichheit der Stände, 
die Mobilisierung des Eigentums, die Gewerbefreiheit, und über- 
haupt gegen die ganze neuernde Gesetzgebung. 
2) Die französische Partei. Zu ihr gehörten alle die, welche 
aus Schwäche der Einsicht oder des Charakters auf keinen Fall 
mit Napoleon brechen wollten und in den Reformministern ge- 
fährliche Unruhstifter sahen. Auch sie nannten Steins und Har- 
denbergs Tätigkeit revolutionär. 
Die preußische Reform von 1808—1812 unterschied sich 
von der französischen Revolution von 1789 dadurch, daß sie maß- 
voll und mit möglichster Schonung des Bestehenden den Staat 
volkstümlich erneuerte, daß sie die Gewalt des Monarchen nicht 
beschränkte, aber den Gemeinden (zunächst den Städten) die 
Selbstverwaltung wiedergab und die mittelalterlichen 
Schranken zwischen den Ständen durchbrach; daß sie den Mili- 
tärstaat völlig zum Rechtsstaat ausbildete und das Söldner- 
heer in ein rechtes Nationalheer umschuf. Auch eine Volks- 
vertretung (auf ständischer Grundlage) wollte Stein einrichten, 
drang aber damit nicht durch. 
Nach Steins Abgang kam die ganze Reform unter dem Mil- 
nisterium Altenstein ins Stocken. Hardenberg führte dieselbe mit 
Hilfe der Bureaukratie weiter, deren Macht er vermehrte und in 
seiner, des Staatskanzlers, Hand vereinigte. Das Steinsche Gesetz 
vom 9. Oktober 1807 hatte die Bauern nur erst zu freien Men- 
schen gemacht; das Hardenbergsche vom 14. September 1811 gab 
ihnen auch Besitz. Stein, Scharnhorst, Hardenberg waren keine 
gebornen Preußen, aber frühzeitig in preußischen Dienst getreten. 
Stein bekämpfte bereits vor dem Kriege (in einer Denkschrift 
an den König Anfang Mai 1806) die Macht der geheimen 
Kabinettsräte als ein Haupthindernis des Ministeriums, in wel- 
chem er damals den Finanzen vorstand. Er rettete nach der 
Schlacht bei Jena die Staatskasse von Berlin nach Königsberg. 
An Haugwitz' Stelle zum obersten Minister ernannt (29. No- 
vember 1806), wiederholte er seine Vorschläge, wurde aber (4. Ja- 
nuar 1807) sehr ungnädig entlassen. Großherzig diese Kränkung 
vergessend, folgte er mit patriotischem Eifer dann der Zurück- 
berufung und traf am 30. September 1807 in Memel ein. 
Scharnhorst, Sohn eines hannöverschen Bauern, kam 1772 
in die Kriegsschule des Grafen Wilhelm von der Lippe zu Stein- 
hude, machte als hannöverscher Offizier den Feldzug von 1793 
mit, ward 1801 preußischer Artillerieoberst, schlug sich in dem Kriege
	        
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