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sorglose Genügsamkeit und Gastfreundschaft waren ihre Tugenden;
eigentümlich aber war den Wenden eine ungemein rührige Tätig-
keit. Sie brachten das alte Suevenland in höhere Kultur, bauten
außer den vorgefundenen Kulturpflanzen Weizen, Hirse, Mohn,
Gartengewächse, Obst, trieben starke Bienenzucht, hielten zahlreiches,
treffliches Vieh, wohnten nicht, wie Sueven und Sachsen, zerstreut
auf Gehöften, sondern in Dörfern und Städten, die mit ring-
lermigen Befestigungen (Gard: Star-gard u. a.) umgeben waren.
Der Uberschuß des Ertrages ihrer Landwirtschaft und ihres Fisch-
fanges, sowie einiger Gewerbe (besonders Weberei) diente zum
Tauschhandel, der besonders an der Seeküste stark im Schwange
war. Die Richtung und Schiffbarkeit der Flüsse (Spree, Havel,
Elbe, Oder) machten das nach Nord= und Ostsee offene Land zum
Schauplatz eines regen Verkehrs. Der Hauptsitz des Seehandels
war die Wendenstadt Julin oder Wollin, deren Hafen 300 Schiffe
faßte. Hier trafen sich deutsche, dänische, flawische, byzantinische
Kaufleute, um wendische Leinwand, preußischen Bernstein, russisches
Pelzwerk gegen fränkische, griechische, italienische Metallwaren,
Glasperlen, Münzen u. a. Zierat einzutauschen. Zu Lande ging
um das Jahr 1000 eine Haupthandelsstraße von Hamburg nach
Julin, von da nach Gyddanisk (Danzig) und durch Preußen
(über Samland) nach Ostrogard (Nowgorod) in Rußland, wohin
die Kaufleute aus Kiew ihre morgenländischen Waren brachten.
— Die Wenden verehrten als höchsten Gott den Belbog (den
weißen, guten Gott); der Urheber alles Finstern und Schlim-
men war CzZernybog (der schwarze Gott). Der Sonnengott
Swantewit, der Spender der Fruchtbarkeit, hatte in Arkona
auf Rügen, Triglaw (der „dreiköpfige“ Herr des Himmels, der
Erde und der Unterwelt) in Stettin und Brandenburg, der Kriegs-
gott Radegast zu Rethre in Mecklenburg einen Haupttempel,
wo selbst Menschenopfer dargebracht wurden. Wie die alten Deut-
schen glaubten auch die Wenden an ein Fortleben im Jenseits
und an die höhere Seligkeit der als Helden Gefallenen. Nichts
geschah, ohne daß man zuvor den Willen der Götter befragt
hätte; die Priester übten daher einen ungemessenen Einfluß.
Die älteste Staatsform war die Gleichheit aller freien Grund-
besitzer, deren jeder unumschränkt über seine Familie und seine
Knechte gebot; aus den gewählten Gemeindevorstehern ging indes
allmählich ein Adel hervor (die Friedensrichter, Zupane) und
aus den Kriegsführern (Woiwoden) ein durch Reichtum und
Ansehen gewaltiger Knäs (Fürst). — In steten Fehden der
Stämme unter einander und mit den Deutschen erhielt sich die
kriegerische Tüchtigkeit und ein starkes Nationalgefühl.
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